Stranger Than Paradise (1984)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

John Lurie mit Borsalino

Es ist zweifellos der vielseitig umtriebige Künstler John Lurie, der dieser episodischen, so ungewöhnlichen wie stimmungsvollen und schlicht anmutenden filmischen Sicht von Jim Jarmusch auf das US-Amerika der Underdogs als Schauspieler und Komponist seine unnachahmlich lässige, markante Note verleiht. Nach seinem Debüt Permanent Vacation von 1980 – ebenfalls unter der musikalischen wie schauspielerischen Beteiligung von John Lurie – hat der Independent-Filmemacher seinen Stoff für Stranger Than Paradise zunächst als Kurzfilm inszeniert, bis er mit der Unterstützung des deutschen Produzenten Otto Grokenberger, den die schwermütige Geschichte um zwei Freunde und eine junge Frau begeistert hatte, die ausführliche Version realisieren konnte. In diesem fragmentarischen, bildgewaltigen und wortkargen Epos über Fremde, Fremdsein und Vertrautwerden spielt John Lurie, der im ersten Film als atmosphärischer Saxophonist auftritt, nun eine Hauptrolle als einer der drei Charaktere, die hier antreten, um dem Mythos und der Realität der US-amerikanischen Gesellschaft gleichermaßen den Zerrspiegel vorzuhalten.

In den drei Kapiteln The New World, One Year Later und Paradise begegnen und bewegen sich die drei Protagonisten Willie (John Lurie), Eddie (Richard Edson) und Eva (Eszter Bálint) zunächst in New York, dann in Cleveland und schließlich in Florida, wo sich am Ende aus dem Strom der gemächlichen, zutiefst melancholischen Banalitäten eine geradezu dynamische Wendung ergibt. Für die einen ein wenig ereignisreiches Drama mit lauen Witzen, für andere jedoch feinsinnige Filmkunst mit trefflich sarkastischem Humor und Ausdruck eines hier absolut gelungen transportierten Lebensgefühls zwischen Aufbruch und Starre, Anpassung und Individualität sowie Nüchternheit und kruder Spiritualität wurde Stranger Than Paradise nach seiner Premiere bei den Filmfestspielen von Cannes 1984 dort mit der Goldenen Kamera für den Regisseur ausgezeichnet, erhielt weitere Preise auf anderen Festivals und wurde 2002 ins National Film Registry der USA aufgenommen.

Auch dreißig Jahre nach seiner Uraufführung besitzen die ausdrucksstarken Situationen und Symbole des Films ungebrochen ihre beklemmende bis erheiternde Gültigkeit, ebenso wie die stimmige musikalische Facette, die durch Screamin‘ Jay Hawkins’ Song I Put a Spell on You signifikant pointiert wird. Dieses frühe Werk von Jim Jarmusch zeugt von seiner ureigenen Begabung, durch die Darstellung von scheinbar schlichten Charakteren und schwergängigen Geschichten Identifikationsmomente mit den Abgründen und Brüchen der menschlichen Existenz zu schaffen, die er bewusst unpathetisch inszeniert und die dort ein Verständnis eröffnen, wo sonst gezielte Hinweise und Vorführungen artifiziell ins Leere laufen. Dabei scheut der unabhängige, längst enorm erfolgreiche Filmemacher auch kleine Ausprägungen lapidarer, herzerwärmender Lächerlichkeit nicht, wie das von einem Borsalino gekrönte, hartnäckig gelassene Auftreten John Luries hier auf ganz reizende Weise veranschaulicht.
 

Stranger Than Paradise (1984)

Es ist zweifellos der vielseitig umtriebige Künstler John Lurie, der dieser episodischen, so ungewöhnlichen wie stimmungsvollen und schlicht anmutenden filmischen Sicht von Jim Jarmusch auf das US-Amerika der Underdogs als Schauspieler und Komponist seine unnachahmlich lässige, markante Note verleiht.

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