Strange Days

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein verkanntes Meisterwerk

Los Angeles kurz vor dem Millenium: Der Ex-Cop Lenny Nero (Ralph Fiennes) ist ein desillusionierter Kotzbrocken, der sich mit kleinen Deals mühsam über Wasser hält. Seine Droge sind SQUIDS, eine illegale Technologie, mit deren Hilfe sich die Gedanken, Gefühle und Bilder auf Disc bannen lassen, die eine Person empfindet. Klar, dass eine solche Technik einen riesigen Markt bedeutet und ebenso klar, dass die Wünsche der Kundschaft vor allem sexueller oder gewalttätiger Natur sind. Lenny hat keinerlei Skrupel, seinen Kunden beinahe jeden erdenklichen Wunsch zu erfüllen. Dann aber fällt dem schmierigen Ganoven die Aufzeichnung des Mordes an einer Prostituierten in die Hände. Und zugleich trifft Lenny wieder auf seine Ex-Freundin Faith (Juliette Lewis), die nun ein neues Leben an der Seite eines zwielichtigen Rock-Managers lebt und die immer noch reichlich faszinierend auf den abgehalfterten Ex-Cop wirkt. Mit Hilfe seiner Bekannten Mace (Angela Bassett) beginnt Lenny die Hintergründe des Mordes zu recherchieren und gerät in einen Strudel von Gewalt, Korruption und politischen Ränkespielen, die sein Leben auf den Kopf stellen und massiv gefährden. Währenddessen rüstet sich Los Angeles zur größten Party des Jahrtausends, denn der Jahreswechsel 1999/2000 steht unmittelbar bevor und hat die Stadt wie ein Fieber gepackt…
Regisseurin Kathryn Bigelow (Blue Steel) hat mit Strange Days ein Meisterwerk geschaffen, ein quasi visionärer Thriller, der zwischen Rodney-King-Aufarbeitung, Milleniumsängsten und Medienkritik ein ungemein komplexes Bild der US-amerikanischen Gesellschaft zeichnet, die selten zuvor so fragil, Konflikt beladen und zum Zerreißen gespannt gezeigt wurde. Rassenkonflikte, die mediale Übersättigung und Dekadenz der Gesellschaft und der egoistische Hedonismus wurden selten so auf den Punkt gebracht wie in diesem Film. Und nebenbei ist Strange Days noch ein außerordentlich spannender, visuell überzeugender und mit bemerkenswerten Schauspielern ausgestatteter Film, der auch heute noch, mehr als zehn Jahren nach seinem Erscheinen, aktuell und frisch wie am ersten Tag wirkt. Sehr cool ist auch der Soundtrack, der neben Indie-Heroen wie PJ Harvey, Tricky, Skunk Anansie und Marilyn Manson auch Juliette Lewis’ erste musikalische Gehversuche bereit hält. Auch wenn (oder gerade weil) Strange Days sich bei seinem Start in den Kinos als Totalflop erwies und binnen kürzester Zeit von den Leinwänden verschwand: Für mich setzt dieser Film bis zum heutigen Tag Maßstäbe und ist definitiv einer der wichtigsten und intelligentesten Actionfilme der Neunziger. So forget about Bruce Willis!

Strange Days

Los Angeles kurz vor dem Millenium: Der Ex-Cop Lenny Nero (Ralph Fiennes) ist ein desillusionierter Kotzbrocken, der sich mit kleinen Deals mühsam über Wasser hält.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen