Staub auf unseren Herzen

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Eine unaufgeregte Geschichte

Wenn Töchter sich von ihren Müttern emanzipieren und beginnen, Ratschläge abzulehnen und stattdessen eigene Wege zu bestreiten, kann es schon mal hoch hergehen. In Staub auf unseren Herzen verläuft dieser spätpubertäre Prozess jedoch gänzlich unaufgeregt, vielleicht gar ein wenig zu ruhig. Doch wie sagt man so schön? In der Ruhe liegt die Kraft. Und das trifft auch auf das Spielfilmdebüt der dffb-Absolventin Hanna Doose zu.
Obwohl sie schon 30 Jahre alt ist und bereits selbst einen kleinen Sohn hat, pflegt Kathi (Stephanie Stremler) einen sehr engen Kontakt zu ihrer Mutter Chris (Susanne Lothar). Vielleicht liegt es ein wenig an Kathis verplantem Naturell, dass Chris sie immer noch nicht wie ein erwachsenes Gegenüber behandelt und sich wiederholt ungefragt in alle Lebensbereiche ihrer Tochter einmischt. Doch wenn Kathi der Vorwurf zu machen wäre, ihr würde der Überblick über ihren Haushalt und die stockende Schauspielkarriere fehlen, dann wäre der professionellen Beraterin Chris ein übermäßiger Kontrollzwang vorzuhalten. Sie kontrolliert nicht nur ihre Mitmenschen, sondern vor allem sich selbst und ihre Emotionen, die nur in seltenen Momenten urplötzlich aus ihr herausbrechen. Als Chris ihrer Tochter auch noch Sohn Lenni (Luis August Kurecki) entzieht, weil Kathi angeblich nicht in der Lage sei, ihn angemessen zu betreuen, bricht der schwelende Konflikt endlich aus.

Für die Erzählung dieser lebensnahen Geschichte wählt Hanna Doose einen sehr realistischen Stil. Natürliche Farben, die zuweilen wacklige Handkamera und die insgesamt sehr zurückhaltende Inszenierung der Ereignisse erzeugen große Authentizität. Doose hat ihre Schauspieler mit Hilfe eines detaillierten Treatments die Dialoge improvisieren lassen und erreicht hierdurch in der Tat eine auffallende Natürlichkeit. Insbesondere die beiden Kinderdarsteller, Luis August Kurecki als Lenni und Oskar Bökelmann als Kathis Bruder Gabriel, überraschen durch die sehr glaubwürdige Verkörperung ihrer Figuren. Besonders sticht jedoch Hauptdarstellerin Stephanie Stremler hervor, die Kathi als einen Menschen darstellt, dessen unsicheres Gebaren sich auch auf sein Umfeld – in diesem Fall sogar das Kinopublikum – überträgt. Ihre gedehnte, langsame Ausdrucksweise und das untertemperierte Gemüt rangieren hart an der Grenze des Erträglichen und drohen dem Zuschauer auf die Nerven zu gehen. Gerade diese Wirkung jedoch macht Stremlers Darstellung so überzeugend.

Die Geschichte ist ebenso unaufgeregt wie ihre Hauptfigur. Da weder Kathi noch ihre Mutter zu starken Gefühlsausbrüchen neigen und die Handlung im Grunde nur um sie und ihre Familie kreist, entsteht wenig Dramatik. Es gelingt Hanna Doose jedoch, kraftvolle Momente zu schaffen, in denen Chris’ übergriffiges Verhalten ihrer Tochter gegenüber beim Publikum große Betroffenheit auszulösen vermag. Staub auf unseren Herzen ist zum großen Teil ein überaus ernster Film, der nur selten eine bittere Komik entfaltet. Doose liefert keinen Unterhaltungsfilm, sondern das intelligente Psychogramm eines paradigmatischen Mutter-Tochter-Verhältnisses. Kathi kämpft nicht nur um die Anerkennung ihrer Mutter, sondern auch mit der Scham darüber, in ihrem Leben „noch nichts erreicht“ zu haben. Sie leidet unter dem Druck, ihrer Mutter beruflichen Erfolg als Gegenwert für die übertriebene Fürsorge anbieten zu wollen. Und obwohl Chris eine Klientin mit ganz ähnlichen Problemen betreut, ist sie nicht in der Lage, diese Strukturen auch in ihrer eigenen Familie zu identifizieren.

Die Nähe zum wahren Leben ist in Staub auf unseren Herzen Fluch und Segen zugleich. Die insgesamt kühle, emotional stark reduzierte Stimmung des Films kann nur bedingt mitreißen. Es bedarf schon einer gewissen Nähe zu den Charakteren und ihrer Geschichte, um in Dooses Spielfilmdebüt mehr als eine beliebige Familiengeschichte oder einen weiteren deutschen Problemfilm zu sehen. Die Geschichte von Kathi und Chris ist insgesamt ein wenig zu klein für die große Leinwand. Aber sie ist doch Ausdruck eines interessanten Regiestils, der gespannt macht auf das nächste Werk von Hanna Doose.

Staub auf unseren Herzen

Wenn Töchter sich von ihren Müttern emanzipieren und beginnen, Ratschläge abzulehnen und stattdessen eigene Wege zu bestreiten, kann es schon mal hoch hergehen. In „Staub auf unseren Herzen“ verläuft dieser spätpubertäre Prozess jedoch gänzlich unaufgeregt, vielleicht gar ein wenig zu ruhig. Doch wie sagt man so schön? In der Ruhe liegt die Kraft. Und das trifft auch auf das Spielfilmdebüt der dffb-Absolventin Hanna Doose zu.
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Meinungen

Claudia Falk · 19.01.2013

Psycho vom Schlimmsten. Doppelbotschaften an jeder Ecke, aber wenig subtil gemacht. Die SchauspielerInnen spielen ihr eigenes Milieu, so mein Eindruck, langweilig und nervig (besonders dieser "ne-du-Typ" alias Puppenspieler. Auch S.Stremler hat eindimensional gespielt. Warum sich S. Lothar hat breitschlagen lassen, bei diesem Film mitzumachen, bleibt mir ein Rätsel. Oder hat sie selbst in diesem übertriebenen Psychoszenario ein Zuhause gefunden? Wer weiß.

Waltraud Mang · 17.01.2013

Ich würde diesen Film sehr gerne sehen. Warum läuft er nicht in Frankfurt in der Innenstadt??
MfG
Waltraud Mang