Standesgemäß

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Von Licht und Schatten der Adelswelten

Die Zeit der Standesgesellschaften, geprägt durch den privilegierten Adel, ist in Deutschland längst vorüber, doch die Nachkommen dieses erlauchten Kreises sind durchaus bemüht, ihre Exklusivität zu erhalten und zu pflegen, wie die Dokumentation Standesgemäß von Julia von Heinz anschaulich darstellt. Dass dies in der modernen Welt jenseits von verpflichtenden Traditionen entscheidender Individuen nicht immer aufgeht, zeigt das unspektakulär inszenierte Porträt dreier Frauen von adeliger Geburt zwischen Anpassung und Emanzipation.
Da plaudern die Damen von Stand mit erstaunlicher Offenheit über ihr Leben und ihre Position als Adelige in der modernen Gesellschaft und lassen sich von der Kamera zu Hause, bei Freizeitaktivitäten wie Ausritt und Jagd sowie bei der Arbeit begleiten. Dabei spielt immer wieder die Schwierigkeit eine Rolle, einen geeigneten Mann fürs Leben zu finden, denn dem traditionellen Mannesstammprinzip nach kann eine Frau ihren Adelstitel auch heute noch nur durch eine standesgemäße Heirat weitergeben, bleibt sie ledig, kann sie ihn zumindest für sich selbst erhalten.

Alexandra Gräfin von Bredow bewohnt ein kleines Appartement in einem Hochhaus, wo sie auch die Schmucksteinketten herstellt, mit denen die sich ein bescheidenes Einkommen verdient. Nicht immer fühlte sie sich im adeligen, luxuriösen Universum ihrer Herkunft zu Hause, lebte einige Jahre im Ausland und fand schließlich erst im reiferen Alter einen passenden Partner, nachdem sie einiges an zermürbendem Liebesleid hinter sich gebracht hatte. Heute fühlt sie sich dort, wo sie angekommen ist, wohl, auch wenn dieses Leben sich entschieden weniger glamourös ausnimmt.

Die junge Verena von Zerboni di Sposetti hat sich trotz ihrer Erziehung in einem exklusiven Mädchenpensionat und ihres anschließenden Jurastudiums letztlich dazu entschlossen, eine Arbeit als Näherin für Theaterkostüme anzunehmen, die ihr im Gegensatz zu ihrem erlernten Beruf das Gefühl einer Zufriedenheit vermittelt, die sie nicht mehr missen möchte. Dass sie dadurch innerhalb ihrer gewohnten Kreise in eine unliebsame Außenseiterposition gerutscht ist, nimmt sie in Kauf, auch wenn dabei eine leichte Bitterkeit mitschwingt.

Die Oboistin und Lehrerin Alexandra Freiin von Beaulieu-Marconnay, die nach dem Tod ihres Vaters eine sehr enge Verbindung mit ihrer Mutter pflegt, lebt gern nach der traditionellen Etikette, mit der sie aufgewachsen ist. Ihr ist ein stabiles Netzwerk an standesgemäßen Beziehungen äußerst wichtig, und eine Heirat außerhalb dieser Strukturen kommt für sie wohl kaum in Frage. Von ihrer Mutter, Andrea Freifrau von Beaulieu-Marconnay, erfährt der Zuschauer einiges über die filigranen Gepflogenheiten des gesellschaftlichen Umgangs auf adeligem Terrain.

Auch weitere Protagonisten der Adelsszene, wie beispielsweise die Eltern von Verena von Zerboni di Sposetti, die keineswegs glücklich mit der radikalen Entscheidung ihrer Tochter sind, mit den Familientraditionen zu brechen, kommen in Standesgemäß zu Wort, der bei den Hofer Filmtagen 2008 seine Premiere feierte. Regisseurin Julia von Heinz (Was am Ende zählt, 2007) berichtet im Interview, dass ihre eigene nunmehr nur formale Zugehörigkeit zum Adel entschieden dazu beitrug, dass sie überhaupt einen so persönlichen Zugang zu ihren Figuren fand.

Auch wenn das Attribut „standesgemäß“ hier in erster Linie bedeutet, zur exklusiven Welt des Adels zu gehören, die sich in der Regel nicht willentlich, sondern nur durch entsprechende Geburt erreichen lässt, ist damit der Wortsinn keinesfalls erschöpft. Gerade im Zusammenhang mit der Partnersuche ist es ebenso bedeutsam, eine ähnlich ausgerichtete Erziehung genossen zu haben und somit eben „parkettsicher“ zu sein, denn adelig zu sein wird hier auch als Lebenshaltung verstanden, die es zu erhalten und abzugrenzen gilt. Standesgemäß stellt eine interessante, musikalisch ansprechend begleitete Dokumentation dar, die die Ebene des erstaunlich persönlichen Zugangs wählt, um ein gesellschaftliches Phänomen zu betrachten, das sich so ganz anders ausnimmt, als es oftmals in der Boulevardpresse erscheint.

Standesgemäß

Die Zeit der Standesgesellschaften, geprägt durch den privilegierten Adel, ist in Deutschland längst vorüber, doch die Nachkommen dieses erlauchten Kreises sind durchaus bemüht, ihre Exklusivität zu erhalten und zu pflegen, wie die Dokumentation „Standesgemäß“ von Julia von Heinz anschaulich darstellt.
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