Spring Awakening - Rebellion der Jugend

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Wut und Verzweiflung

Constantine Giannaris‘ Thriller-Drama Spring Awakening – Rebellion der Jugend beginnt mit einem programmatischen Geständnis: „Du verlierst die Kontrolle“, merkt eine der Hauptfiguren offenherzig an. Kurz darauf schleudert uns der Regisseur unvermittelt in mehrere Verhaftungssituationen hinein. Fünf junge Menschen werden in Gewahrsam genommen, getrennt voneinander befragt und dabei wenig zimperlich behandelt. Schon mit seinem fragmentarischen Einstieg, dem ständig wechselnden Fokus erzeugt der Film einen enormen Sog, während sich im Kopf des Zuschauers vor allem eine Frage Platz verschafft: Was haben die Protagonisten getan? Auch wenn Giannaris in bester Krimi-Manier erst am Ende den Schleier lüftet, ist das jüngste Werk des griechischen Filmemachers alles andere als eine konventionell gestrickte Spannungsarbeit, die sich bloß für das Verbrechen und dessen Hergang interessiert. Wichtiger als die im Plot verankerte Tat ist das niederschmetternde Gefühl der Orientierungs- und Hoffnungslosigkeit, das die im gegenwärtigen Athen spielende Geschichte von Anfang an infiziert.
Spring Awakening zeichnet das Bild einer zerbröckelnden, tief gespaltenen Gesellschaft, gegen die sich die aus unterschiedlichen Schichten stammenden Teenager Ioanna (Daphne Patakia), Alexandros (Konstantinos Elmatzioglou), Christos (Kostas Nikouli), Aris (Muco Fabrixhio) und Ermir (Michelangelo Tzegia) auflehnen, indem sie eine Bande gründen, mit Waffen hantieren, Drogen konsumieren, Einbrüche begehen und auch sexuell ihre Grenzen austesten. Von ihren Elternhäusern wenden sie sich entschieden ab. Und der Hass auf die Elite wächst stetig an, bis sich die aufgestaute Wut in einer drastischen Gewaltspirale entlädt. Dass dabei ausgerechnet ein deutscher Geschäftsmann und seine Ehefrau eine zentrale Rolle spielen, ist mit Blick auf die griechische Finanzkrise und ihre Begleitumstände sicherlich kein Zufall.

Losgelöst von mechanischen Plot-Point-Strukturen und küchenpsychologischen Erklärungsansätzen, springt der Film munter zwischen den Befragungen und den Ereignissen vor der Verhaftung hin und her. Schlaglichtartig tauchen wir in das zunehmend zügellose, sinnentleerte Leben der Jugendlichen ein, die keine speziellen Ziele verfolgen, sondern in erster Linie ihren Impulsen nachgeben, was konsequenterweise auch einen offensiven Umgang mit dem Thema ‚Nacktheit‘ zur Folge hat. Die Frustration, die das Land übermannt, spiegelt sich nicht nur im ungestümen Gebaren der Protagonisten. Immer wieder geraten auf Hauswänden wütende Schriftzüge in den Blick, die etwa zur Bewaffnung aufrufen oder die faschistischen Tendenzen im Staatsapparat anprangern. Während das energiegeladene Spiel der Hauptdarsteller dem atemlosen Geschehen einen dokumentarischen Anstrich verleiht, bemüht sich Giannaris parallel um eine Stilisierung des Gezeigten. Die Verhörszenen auf der Polizeistation erscheinen dank ausgeprägter Licht- und Schattenspiele beinahe surreal, und mehrfach friert der Regisseur die Handlung in aggressiv-bunten Standbildern ein.

Auf der Zielgeraden entfesselt Spring Awakening einen Gewaltausbruch, der in seiner intensiven und kompromisslosen Direktheit einen Schrecken erzeugt, dem viele Horrorfilme vergeblich hinterherhecheln. Die Unzufriedenheit der jungen Menschen, Vorurteile und das Verlangen, erlittene Demütigungen zu rächen, vermengen sich hier zu einem hochexplosiven Gemisch, das den Betrachter erschüttert zurücklässt. Mit der Erkenntnis, einen mitreißenden, ungewöhnlichen Film gesehen zu haben, der die schwierige Lage Griechenlands beschreibt, gleichzeitig aber auch als fiebriges Porträt eines bedrohlich ins Wanken geratenen Europas funktioniert.

Spring Awakening - Rebellion der Jugend

Constantine Giannaris‘ Thriller-Drama „Spring Awakening – Rebellion der Jugend“ beginnt mit einem programmatischen Geständnis: „Du verlierst die Kontrolle“, merkt eine der Hauptfiguren offenherzig an. Kurz darauf schleudert uns der Regisseur unvermittelt in mehrere Verhaftungssituationen hinein. Fünf junge Menschen werden in Gewahrsam genommen, getrennt voneinander befragt und dabei wenig zimperlich behandelt.
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