Song One

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Leise kraftvoll

Nicht schon wieder eine Geschichte über jemanden, der im Koma liegt, und dessen Angehörige am Krankenbett! Denkt man. Und schaut doch weiter – diesen Film, der mit einer so konventionellen Geschichte daherkommt, diese dann aber ganz leise und zurückhaltend erzählt. Da verzeiht man ihm auch Klischee-Plot Nummer zwei: Die Affäre mit dem Rockstar. Auch hier wäre viel Platz für konventionelle Bilder und Storylines gewesen, doch dann packt Kate Barker-Froyland ihren Stoff ganz anders an und zeigt, wie man solche Geschichten auch erzählen kann.
Franny (Anne Hathaway) reist seit Monaten durch Nordafrika auf der Suche nach neuen Erkenntnissen und Inhalten für ihre Doktorarbeit über Nomadenstämme. Den Kontakt zu ihrer Familie hat sie abgebrochen, nachdem sie erfahren hat, dass ihr jüngerer Bruder Henry (Ben Rosenfield) das Studium geschmissen hatte. Dann erhält sie einen Anruf von ihrer Mutter Karen (Mary Steenburgen): Henry habe einen Unfall gehabt und liege im Koma. Umgehend reist Franny zurück nach New York und verbringt fortan die Tage am Krankenbett ihres Bruders.

Zwischendurch kramt sie in Henrys Sachen: Zuerst findet sie in der Tüte des Krankenhauses sein Tagebuch, dann traut sie sich in seine Zimmer. Sie taucht mehr und mehr in die Lebenswelt von Henry ein: in seine Gedanken, seine Träume, seine Texte, seine Musik. Sie sammelt an ‚seinen Orten‘ Geräusche, die sie ihm am Krankenbett vorspielt, und sie kauft ihm ein altes Grammophon, weil seines kaputtgegangen war. Außerdem findet sie eine Eintrittskarte zu einem Konzert von Henrys großem Idol, dem Singer-Songwriter-Star James Forester (Johnny Flynn). Franny spricht James nach dem Konzert an, und weil er in einer Schaffenskrise steckt und über jede Ablenkung dankbar zu sein scheint, kommt er Henry im Krankenhaus besuchen.

Klar, dass es zwischen Franny und James von Anfang an knistert, und doch ist die Liebesgeschichte zwischen den beiden genauso verhalten erzählt wie der Geschwisterkonflikt zwischen Franny und Henry. Natürlich muss es so sein, dass Henry nicht nur im Koma liegt, sondern dass ein Streit zwischen den Geschwistern davor bei Franny zusätzlich für Gewissensbisse sorgt. Das kommt auch zur Sprache, und der Film droht mit diesen klischeehaften Plotlinien immer wieder ins Triviale abzurutschen, fängt sich aber auch immer wieder – vor allem durch die Musikstücke, die ausgespielt werden und nicht nur filmisches Mittel sind, Gefühle untermalen, hervorrufen oder unterstützen, oder einfach auch dadurch, dass nicht weiter geredet wird.

Es geht auch darum, ob Henry wieder aufwacht oder nicht; aber letztendlich scheint das Ergebnis nicht so wichtig, sondern vielmehr der Prozess, den Franny durchmacht, wie sie mit dem Bruder im Koma klarkommt: Wie sie geduldig alles versucht, um ihn aus der Welt der Schlafenden zu holen, aber andererseits auch daran verzweifelt. Wie sie durch die nächtlichen Straßen New Yorks streift, immer wieder auf die Stadt blickt, durchatmet. Man könnte dem Film ein gewisses Understatement vorwerfen, aber genau diese Unaufgeregtheit, dieses Flanieren durch eine Geschichte tut gut – wenn etwas dabei herauskommt, das berührt, das einen an der Geschichte festhalten und mit den Figuren mitfühlen lässt. Das hat Kate Barker-Froyland mit ihrem Debüt geschafft (das wohl auch Schauspielerin Anne Hathaway zu ihrer ersten Produzentenrolle gebracht hat), und mehr als sonst bin ich gespannt auf den nächsten Film einer Regisseurin.

Song One

Nicht schon wieder eine Geschichte über jemanden, der im Koma liegt, und dessen Angehörige am Krankenbett! Denkt man. Und schaut doch weiter – diesen Film, der mit einer so konventionellen Geschichte daherkommt, diese dann aber ganz leise und zurückhaltend erzählt. Da verzeiht man ihm auch Klischee-Plot Nummer zwei: Die Affäre mit dem Rockstar. Auch hier wäre viel Platz für konventionelle Bilder und Storylines gewesen, doch dann packt Kate Barker-Froyland ihren Stoff ganz anders an und zeigt, wie man solche Geschichten auch erzählen kann.
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Meinungen

Silke · 11.04.2016

Weiß eigentlich niemand mehr was eine Metapher ist? SEHR genau hinsehen und sehr genau zuhören, dann ist es ein wirklich gelungener Film,