Soldate Jeannette

Die stillen Anarchisten

Den Regisseur Daniel Hoesl in Rotterdam zu treffen, war schon eines der Highlights des Festivals. Hoesl, ein schmaler, junger Mann mit Nickelbrille und gekräuseltem Schnauzer ist ein stiller Anarchist, so wie seine Charaktere in Soldate Jeannette es auch sind. Der Film hatte seine Premiere in Sundance, nur Tage später reiste er mit seinem Werk nach Rotterdam, um es dem europäischen Publikum vorzustellen. Und zwar nur diesem, jeglichen Industrieveranstaltungen hingegen blieb er fern. Mit Absicht verweigert er sich, denn wie er selbst sagt, hat Kunst mit Industrie nichts zu tun. Er will nur, dass Menschen sein Werk sehen, dass es einen Verleih bekommt und damit im Kino zu sehen sein wird. Ansonsten will er nicht Teil der Maschinerie sein. So hält es auch die ganze Gruppe um Hoesl, die sich The European Film Conspiracy nennt und aus einer Handvoll Mitstreitern besteht. Den Film hat die Gruppe dann auch mit einem Minibudget gemacht; das Drehbuch wurde erst geschrieben, nachdem die Darstellerinnen gefunden waren. Und es nährt sich zu großen Teilen aus ihrem tatsächlichen Leben.
Fanni (Johanna Orsini-Rosenberg) lebt in Saus und Braus. In der ersten Szene kauft sie ein hässliches, dafür unsäglich teures Kleid und schmeißt es sofort weg. Ihre Wohnung ist riesig, voll mit teurem Mobiliar, ihr kulinarischer Geschmack und ihre Vorlieben sind überbordend. Bei der Frage nach dem Nachtisch werden ihr fünf hochkarätige Variationen aufgezählt und alle sind „mit einem Hauch von“ irgendetwas und werden „an“ serviert. Es ist ein unbeschreiblicher und zugleich völlig sinnloser Exzess, in dem sie lebt, ein Zuviel an Optionen und Besonderem, das jeglichen Lebenswillen ersticken kann. Doch dann folgt (zumindest für den Zuschauer) der Schock, denn Fanni ist eigentlich völlig pleite, die Gläubiger stehen schon vor der Tür. Sie selbst aber stört das nicht, keine Miene verzieht sie und unternimmt keinerlei Rettungsversuche. Vielmehr ist sie konsequent: Ohne allzu viele Worte, aber stets mit Würde und einem erhobenen Haupt (nicht weil sie hochnäsig ist, sondern weil sie weiß, dass all dies keinen Wert hat) schmeißt sie aus vollster Überzeugung alles weg, kauft sich Wanderschuhe und einen Rucksack und geht aufs Land. Fanni befreit sich aus einem Leben, dessen einzige Religion nur noch das Geld ist.

Auf dem Land beginnt sie auf einer Farm zu arbeiten und trifft dort Anna (Christina Reichsthaler), die ebenfalls gefangen ist. Anna lebt mit und leidet unter Schweinen. Damit sind einerseits die Tiere gemeint, mit denen sie sich umgeben und die sie füttern muss. Andererseits ist damit auch ihr Freund gemeint, der nicht allzu weit von den Viechern entfernt ist – vor allem nicht in seiner Umgangsart mit Anna.

Mit Fannis Hilfe entschließt sich Anna in die Stadt zu gehen, weg von den Schweinen. Und hier ist es, dass man Hösls Vision einfach lieben muss, denn sie ist kein Manifest, kein einfacher Ausweg. Vielmehr zeigt sie auf, wie schwer es ist, in der jetzigen Gesellschaft überhaupt seinen Platz zu finden. Mit Fannis Auszug aufs Land wäre der Film nur eine Mär, eine Augenwischerei. Doch die entgegengesetzte Bewegung Annas macht den Film zu einem Paradoxon, zu einer Geschichte zweier – mit Hoesl selbst sind es sogar drei – stiller Anarchisten, die zwar nicht genau wissen, wo ihr Platz, ihr Ziel im Leben sein könnte, die aber immerhin ahnen, in welche Richtung sie sich bewegen müssen – immer in die gegenläufige.

(Festivalkritik vom 42. Internationalen Filmfestival Rotterdam, Beatrice Behn)

Soldate Jeannette

Den Regisseur Daniel Hoesl in Rotterdam zu treffen, war schon eines der Highlights des Festivals. Hoesl, ein schmaler, junger Mann mit Nickelbrille und gekräuseltem Schnauzer ist ein stiller Anarchist, so wie seine Charaktere in „Soldate Jeannette“ es auch sind. Der Film hatte seine Premiere in Sundance, nur Tage später reiste er mit seinem Werk nach Rotterdam, um es dem europäischen Publikum vorzustellen.
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