So ist Paris (2008)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Kleine Geschichten aus der großen Stadt an der Seine

Gibt es eine Stadt in Europa, die im Kino so häufig ins Bild gerückt wurde wie Paris? Wohl kaum. Und doch ist die Faszination der Hauptstadt der Liebe ungebrochen und verführt immer wieder zu cineastischen Experimenten, wie man dies beispielsweise bei dem mal mehr, mal weniger gelungenen Episodenfilm Paris, je t’aime beobachten kann. Cédric Klapisch, der Programmkino-Besuchern vor allem durch seinen Studenten-WG-Film Barcelona für ein Jahr / L’Auberge Espagnole und dessen Nachfolger L’Auberge Espagnole – Wiedersehen in St. Petersburg / Les Poupées Russes bekannt sein dürfte, kehrte nun, gestählt durch reichlich Auslandserfahrung, in seine Heimat zurück, und legt mit So ist Paris / Paris ein deutlich reiferen und auch nachdenklicheren Film vor.

Im Herzstück des Films geht es im wahrsten Sinn des Wortes um jenes Organ, das den Körper mit Leben erfüllt und ohne dessen Schlagen wir unweigerlich zum Tode verdammt sind: Pierre (Romain Duris) war früher ein erfolgreicher Tänzer im Moulin Rouge, doch seit einer Erkrankung des Herzens ist der Dreißigjährige nicht mehr fähig zu arbeiten und wartet auf eine Transplantation. Zur Untätigkeit verurteilt steht er meist am Fenster oder in seiner Wohnung und denkt über das Leben nach. Denn dass er die Operation gut überstehen wird, ist keinesfalls sicher. Um ihn aufzuheitern, kümmert sich seine Schwester Elise (Juliette Binoche) rührend um ihn und zieht schließlich mit ihren Töchtern in die Wohnung des Bruders, um ihm die quälende Zeit des Wartens möglichst angenehm zu gestalten. Die alleinerziehende Mutter, die als Sozialarbeiterin arbeitet, hat es ebenfalls nicht leicht: Frustriert von den Männern verwendet sie all ihre Fürsorge auf die Kinder und auf ihren Bruder und vergisst dabei beinahe, dass auch sie eine Schulter zum Anlehnen braucht. Keine Lebenskrise, aber eine handfeste Midlife-Crisis durchläuft der bekannte Historiker Roland Verneuil, dessen Spezialgebiet – wie könnte es anders sein, die Geschichte der Stadt Paris ist. Als ein Fernsehsender den Wissenschaftler bittet, eine populärwissenschaftliche Sendung über die Geschichte der Stadt zu moderieren, trifft ihn dieses Ansinnen zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Denn der Professor hat sich gerade in die schöne Studentin Laetitita (Melanie Laurent) verliebt und ist auf dem besten Wege, sich mit Baudelaire-Versen als SMS-Botschaften vollkommen zum Idioten zu machen.

Außerdem gibt es noch eine Bäckerin (Karin Viard) auf der Suche nach einer geeigneten Verkäuferin, eine Handvoll Markthändler, die sich nicht nur um die Kunden, sondern auch um eine Frau Zanken. Und schließlich träumt im fernen Kamerun der frühere Hotelangestellte Benoît (Kingsley Kum Abang) von einem Leben in der französischen Metropole und macht sich auf den Weg durch Afrika, um in die Stadt seiner Träume zu gelangen…

Zahlreiche Handlungsfäden sind es, die Cédric Klapisch in seinem Kaleidoskop der Stadt Paris zu einem Handlungsteppich verknüpft. Allerdings – und das ist der Knackpunkt des Films – hat Klapisch seine Sympathien und damit auch den Fokus als Erzähler ungleich auf die Episoden verteilt: Im Mittelpunkt des Interesses stehen die beiden Geschichten um den Tänzer Pierre und seine Schwester und um den liebeskranken Historiker Verneuil, so dass sich vor allem Juliette Binoche und Fabrice Luchini auszeichnen können, während andere Episoden lediglich angerissen werden und so deutlich an Wirkung verlieren. Und so sind es vor allem einige Szenen, die von diesem Film im Gedächtnis bleiben: Juliette Binoches hinreißender Striptease (man hat wieder einmal das Gefühl, die Frau könnte auch das Telefonbuch von Paris verlesen und das Ergebnis wäre immer noch ein cineastisches Ereignis), Fabrice Luchinis Tanz für die angebetete Studentin, die Bäckerin (Karin Viard), die im Bruchteil einer Sekunde ihr Lächeln und ihre Freundlichkeit an- und wieder ausknipsen kann, wenn ein Kunde den Laden betritt. Andere Details wiederum verschwinden nach kurzer Zeit aus dem Gedächtnis, so dass man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, der Film sei überladen. Die Balance zwischen den einzelnen Episoden, sie das große Manko des Films.

Romain Duris als zentrale Figur, als Herzstück des Films, erhält nur wenig Gelegenheit, sich als Schauspieler auszuzeichnen, im Wesentlichen beschränkt sich seine Mimik den Film hindurch auf zwei Gesichtsausdrücke – zum einen leidend, zum anderen in einer Filmaufnahme aus früheren, besseren Tage in die Kamera grinsend. Und doch stellt sich Pierre am Ende als das verbindende Element der einzelnen, nur locker verbundenen Episoden heraus: Wenn er auf seiner Taxifahrt ins Krankenhaus all den Akteuren der anderen Geschichten begegnet, dann ist das der rote Faden und die Ordnung, die man in diesem Film lange vergeblich sucht. Vielleicht ist dies ja die Absicht von Cédric Klapisch – das Chaos des Lebens, die unmittelbare Nähe von höchstem Glück und tiefer Not, von kleinen Leuten und bekannten Persönlichkeiten und die Zufälle des Lebens abzubilden. Leicht macht er es dem Zuschauer allerdings nicht mit dieser Art des Erzählens: Mancher Zusammenhang zwischen den verschiedenen Handlungssträngen und zahlreichen Figuren erschließt sich erst nachträglich im Gespräch über den Film. Und mancher Szenenwechsel gerät sehr abrupt, so dass nicht nur Paris, sondern auch dieser Film über die Stadt und ihre Menschen des Öfteren als Labyrinth erscheint, in dem man schnell die Orientierung und den Überblick verliert.
 

So ist Paris (2008)

Gibt es eine Stadt in Europa, die im Kino so häufig ins Bild gerückt wurde wie Paris? Wohl kaum. Und doch ist die Faszination der Hauptstadt der Liebe ungebrochen und verführt immer wieder zu cineastischen Experimenten.

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Meinungen

turmfräulein · 24.08.2008

ja, das stimmt, die models waren ein bischen...doof?! aber naja, die bäckereiverkäuferin dagegen, o lala! am ende kann sich jeder selber aus denken, ob es ein wiedersehen gibt! ich denke: ja!

so ist paris · 24.08.2008

dieser film zeigt dem zuschauer wieder mal, worauf es eigentlich ankommt im leben...und juliette binoche ist sehr liebenswert!
eine wunderbare stadt - da möchte man doch gleich wieder nach paris...

· 10.08.2008

Herrlich! Ich bekomme Heimweh nach meiner Heimat.
Und die Schauspieler: Juliette Binoche muß man nicht mehr loben.
Es ist ein Genuß,den Prof. zu verfolgen. Der Markthändler hätte mir auch gefallen. Und jede sogenannte "Nebenrolle" hat eine markante Persönlichkeit.
Paris von allen Seiten halt.

Robbin · 04.08.2008

Der Film ist nicht schlecht, leider bedient er zuoft Klischees und wird mit der Zeit langweilig.

GH · 02.08.2008

Schöner sehenswerter Film, der Lust auf einen Paris-Besuch macht oder Erinnerungen an einen solchen weckt, die Geschichten sind lose verknüpft aber fügen sich doch ineinander auch wenn die eine oder andere Geschichte etwas aufgesetzt und unnötig erscheint - z.B. die Modells im Schlachthof, während man von anderen gern noch mehr gesehen hätte - z.B. die Bäckereibesitzerin.

Andreas · 31.07.2008

Dem Gast vom 30.07. sei zu empfehlen: das Programmkino meiden und nur auf Hollywood-Blockbuster setzen. Allen anderen Zuschauern wird der Film gefallen, obwohl er, wie der Titel versprechen mag, nicht unbedingt das typische Paris wiederspiegelt. Langweilig ist der Film mit Sicherheit nicht, die Handlungsstränge sind gut verknüpft, und Paris aus der Sicht verschiedener Klassen und Hautfarben ist amüsant aufbereitet.

· 30.07.2008

langweilig, belanglos, austauschbar, d.h. könnte in jeder europäischen Metropole spielen, phantasielos, einzigen Punkt für Schauspieler