Snitch - Ein riskanter Deal (2013)

Eine Filmkritik von Florian Koch

Gesetz unter Beschuss

Längst vorbei sind die Zeiten, als Dwayne Johnson in B-Pictures wie The Scorpion King unter seinem Wrestling-Kampfnamen „The Rock“ auftrat. Doch der seriösere Schauspielername kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Johnson auch in Hollywood weiterhin als „Fels“ in der Brandung wahrgenommen wird. Schuld daran hat er durchaus selbst, denn weder trainierte sich der 41-Jährige im Lauf der Jahre den ein oder anderen Muskel ab, noch ließ seine Rollenwahl darauf schließen, dass Johnson jemals mehr sein wollte als „The Rock“ – ein Machosprüche klopfender Muskelprotz, der es wie in G.I. Joe: Die Abrechnung oder Fast & Furious 6 mit scheinbar jedem aufnehmen kann. Ein erstes Anzeichen für einen Sinneswandel stellt jetzt der Thriller Snitch dar, dessen deutscher Untertitel Ein riskanter Deal durchaus auch für die Besetzung der Hauptfigur mit Dwayne Johnson gelten darf.

Johnson spielt in Snitch John Matthews, einen recht erfolgreichen Transportunternehmer, dessen Leben sich mit einem Schlag ändert, als er erfährt, dass sein Sohn Jason (Rafi Gavron) für zehn Jahre ins Gefängnis gehen soll. Was war passiert? Mit einer Mischung aus Naivität und Dummheit hat der 18-Jährige eingewilligt, auf ein Drogenpaket seines Kumpels aufzupassen. Was Jason nicht weiß, ist, dass sich sein vorbestrafter „Freund“ auf einen Deal mit der Staatsanwaltschaft eingelassen hat, wonach man einen deutlichen Straferlass bekommt, wenn man Drogen-Kunden verpfeift (sprich „Snitching“). Das bedeutet für Jason im Klartext, dass er genau in dem Moment, als er die Ecstasy-Pillen-Zustellung annimmt, auch schon brutal festgenommen wird. Sein Pech ist es auch, dass nach den umstrittenen „Mandatory Drug Sentencing Laws“ in den USA auch ohne Vorstrafenregister heftige Strafen erteilt werden können, wenn die sichergestellte Drogenmenge wie im Fall von Jason einen gewissen Wert überschreitet. Warum man diesen juristischen Hintergrund im Fall von Snitch so detailliert erklären muss, liegt daran, dass der Film auf wahren Begebenheiten beruht und sich auch als eindeutiges Plädoyer gegen diese Gesetzeslage versteht.

Dwayne Johnson alias John Matthews kommt in seiner Funktion als Vater, der nach der Scheidung den Kontakt zu seinem Sohn verloren hat, bald die Rolle des Beschützers zu. Als Matthews erkennen muss, dass sein zartbesaiteter Junge die Härten des Gefängnisalltags nicht verkraften kann, bietet er der Staatsanwältin Joanne Keeghan (Susan Sarandon) an, die Schuld des Sohnes auf sich zu nehmen, und als Undercover-Ermittler Drogendealer, die sein Sohn nicht benennen konnte, ausfindig zu machen. Da Matthews aber über keinerlei Kontakte zur Unterwelt verfügt, überzeugt er seinen Angestellten, Ex-Häftling Daniel James (Jon Bernthal), ihn mit den berüchtigten Dealern bekannt zu machen. Was diese Entscheidung aber für Konsequenzen hat, davon ahnt Matthews noch nichts.

Snitch ist das erfreuliche Beispiel dafür, dass auch im US-Mainstream-Kino öffentlich geführte Debatten noch eine filmische Auseinandersetzung finden können. Natürlich wird dabei die komplexe Gesetzeslage etwas zu simplifiziert dargestellt. Und auch nimmt sich der bisher vor allem als Stuntman bekannte Regisseur Ric Roman Waugh die Zuschauermanipulation heraus, Jasons Knastgenossen als Brutalogangster zu zeichnen und den durchaus schuldigen Jungen als missverstandenes Opfer seiner Naivität zu skizzieren. Dennoch verzichtet der Thriller weitgehend auf eine Schwarz-Weiß-Malerei, wenn es um die Charakterisierung der Figuren geht.

Johnson ist als Matthews durchaus nicht der Vorzeigevater und darf in Snitch auch mal Versagensängste zeigen, wie man sie nie in seinen anderen Werken sieht. Dass der charismatische Glatzkopf dabei trotz aller Bemühungen nicht immer glaubwürdig wirkt, liegt auch an seiner Physis. Zwar zieht Johnson nie sein Hemd aus und versucht sogar die Muskelpakete zu verstecken, dennoch wirkt es fast schon lächerlich, als er von einer Bande von Halbstarken problemlos zusammengeschlagen wird. Seine schauspielerischen Schwächen werden allerdings von den hervorragenden Nebendarstellern aufgefangen. Hervorzuheben ist hier Jon Bernthal, bekannt aus The Walking Dead, der überzeugend einen Mann spielt, der eigentlich nicht wieder vom rechten Weg abkommen will, für die im gefährlichen Bandenviertel wohnende Familie aber noch einmal in der Kriminalität versinkt. Stark auch Michael K. Williams (The Wire) als dämonisch-überkandidelter Gangsterboss und Barry Pepper — leider mit etwas lächerlichem Rocker-Kinnbart – als zwiegespaltener Polizist, der Matthews zeigt, wie man als Spitzel arbeitet. Nur Susan Sarandon bleibt als karrieregeile Staatsanwältin, die für Erfolge auch über Leichen geht, im Böser-Politiker-Klischee hängen.

Aber nicht nur die Besetzung hebt den bis zum Schluss packenden Film über den Durchschnitt. Es ist auch die fiebrige, niemals aufdringliche Inszenierung von Waugh, die überraschend kluge Akzente setzt. So verkneift sich der Regisseur in der ersten Hälfte jegliche Form von aufdringlichen Actionsequenzen, sondern setzt lieber auf die genaue Skizzierung der Milieus des Besserverdieners Matthews und des an der Grenze zur Armut lebenden James. Auch für die Herausarbeitung des moralischen Dilemmas, in dem sich die miteinander vernetzten Figuren befinden, nimmt sich Waugh angenehm viel Zeit. Und wenn er im Showdown dann doch eine spektakuläre Trucker-gegen-Autofahrer-Actionszene inszeniert, so kann sie es durchaus mit teureren Blockbustern aufnehmen.

Wie man für „nur“ 15 Millionen Dollar und einem wenig nuancierten Hauptdarsteller einen emotional packenden Thriller mit politischem Anliegen inszeniert, das illustriert vorbildlich Ric Roman Waugh mit Snitch. Das solide Einspielergebnis in den USA (ca. 43 Millionen Dollar) sollte den großen Studios Mut machen, ihr Geld auch mal wieder in solch kleinere, ambitionierte Projekte zu investieren. Steven Soderbergh würde es mit Sicherheit freuen.
 

Snitch - Ein riskanter Deal (2013)

Längst vorbei sind die Zeiten, als Dwayne Johnson in B-Pictures wie „The Scorpion King“ unter seinem Wrestling-Kampfnamen „The Rock“ auftrat. Doch der seriösere Schauspielername kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Johnson auch in Hollywood weiterhin als „Fels“ in der Brandung wahrgenommen wird.

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