Sinola

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Solider Spät-Western

In diesen Tagen ist der Schauspieler, Regisseur, Produzent und Filmmusikkomponist Clint Eastwood 85 Jahre alt geworden. Während seiner so vielschichtigen wie enorm erfolgreichen Karriere vom kühlen Cowboy des Italo-Westerns über den Aufstieg als Hollywood-Held, Dirty Harry (1971) und die Regie-Oscars für Erbarmungslos / Unforgiven (1992) und Million Dollar Baby (2004) bis hin zu den Inszenierungen von Jersey Boys und American Sniper im vergangenen Jahr hat diese lebende Legende eine erstaunliche Wandlungsfähigkeit und ein ebensolches Spektrum an filmischen Facetten präsentiert. Filme mit Clint Eastwood waren auch hierzulande nicht selten Glanzpunkte der Fernsehgeschichte von den 1960ern bis in die 1990er Jahre, und Sinola von 1972 unter der Regie von John Sturges (Die glorreichen Sieben / The Magnificent Seven, Gesprengte Ketten / The Great Escape) markiert die einzige gemeinsame Arbeit dieser beiden berühmten Western-Ikonen.

Auf Initiative des reichen Ranchers und Landbesitzers Frank Harlan (Robert Duvall) kommt der inhaftierte Pferdezüchter Joe Kidd (Clint Eastwood) aus dem Gefängnis frei, lehnt jedoch zunächst den Job ab, für Harlan den aufständischen Aktivisten Luis Chama (John Saxon) aufzuspüren und auszuschalten, der gerade die mexikanischen Bauern im Kampf gegen die Großgrundbesitzer anführt. Doch als Kidd auf seine kleine Ranch zurückkehrt und schwere Verwüstungen vorfindet, die auf Chama als Täter hinweisen, entschließt er sich doch, den Auftrag anzunehmen und gemeinsam mit Harlans schießwütigen Schergen den in die Berge geflüchteten Rebellenführer zu stellen. Als er unterwegs dessen aparter Frau Helen Sanchez (Stella Garcia) begegnet, empfindet er spontane Sympathie für sie, die sich später zu kräftiger Zuneigung auswächst. Doch zunächst muss Kidd erkennen, dass Harlan ihn lediglich für seine repressiven Machtansprüche funktionalisieren will …

Angesichts der klingenden Namen gestalteten sich damals die Erwartungen an diesen späten John Sturges Western nach dem Drehbuch von Elmore Leonard, mit der Filmmusik von Lalo Schafrin (Cincinnati Kid / The Cincinnati Kid, Brubaker), Clint Eastwood in der Hauptrolle und weiteren populären Protagonisten wie Robert Duvall und John Saxon recht anspruchsvoll. Doch auch wenn Sinola in seiner soliden Inszenierung sicherlich keine spektakuläre Show der Superlative bietet und die eine oder andere Schwäche in Sachen Schlüssigkeit und Figurenzeichnung aufweist, sind seine schönen Bilder, seine angedeutete sozialkritische Sicht, sein sanft-romantischer Seitenpfad und seine steigende Spannung dennoch sehenswert. Clint Eastwood, der hier damals unüblicherweise für seine typischen Rollen in eine schlichte kleine Liebesgeschichte involviert wird, hatte ein Jahr zuvor sein Regiedebüt Sadistico / Play Misty for Me realisiert, das ihn in seiner Darstellerfunktion darin bezeichnenderweise als Opfer weiblicher Sehnsuchts- und Besitzansprüche präsentiert. So erscheint es einmal mehr sympathisch, dass er sich in Sinola dieser urmenschlichen Dimension stellt, zudem noch mit einem letztlich harmonischen Ausgang.
 

Sinola

In diesen Tagen ist der Schauspieler, Regisseur, Produzent und Filmmusikkomponist Clint Eastwood 85 Jahre alt geworden. Während seiner so vielschichtigen wie enorm erfolgreichen Karriere vom kühlen Cowboy des Italo-Westerns über den Aufstieg als Hollywood-Held, „Dirty Harry“ (1971) und die Regie-Oscars für „Erbarmungslos / Unforgiven“ (1992) und „Million Dollar Baby“ (2004) bis hin zu den Inszenierungen von „Jersey Boys“ und „American Sniper“ im vergangenen Jahr hat diese lebende Legende eine erstaunliche Wandlungsfähigkeit und ein ebensolches Spektrum an filmischen Facetten präsentiert.

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Meinungen

Martin Zopick · 17.03.2024

Klassischer Western aus den 70er Jahren mit ungewöhnlichem Plot: ein Gerichtssaal ist als Ort und wegen der Dramaturgie wichtig. Er bildet quasi den Rahmen für Anfang und Ende. Ebenso ungewöhnlich ist die Ausgangssituation, in der die Titelfigur Joe Kidd (Clint Eastwood) mehrfach die Fronten wechseln muss, ehe er bei den Richtigen Leuten ist. Erst will ihn der Großgrundbesitzer Harlan (Robert Duvall, wie so oft der Bösewicht) kaufen. Harlan jagt den Anführer einer Bauernrevolte unter Luis Chama (John Saxon), wobei Leichen seinen Weg pflastern und Joe ihm draufkommt, was für ein böser Finger er ist.
Wie Joe Chama überzeugt sich einem Gericht zu stellen, wird zwar nicht überzeugend dargelegt, aber die zwei vorausgehenden fast lautlosen Ruhephasen bringen die Spannung auf Betriebstemperatur. Da kommt fast ein leichtes ’12-Uhr-mittags-Gefühl‘ auf. Erst warten alle auf Chama und später unterbricht die Stille ein Scharfschützen-Duell mit Lamarr Simms (Don Stroud, der Mann mit dem gefährlichen Gesichtsausdruck). Eindrucksvoll wie Joe Kidd als Lokführer in den Saloon und in den Gerichtsaal mit dem Dampfross kommt, aber hier wird er zum Rächer der Enterbten. Bei Harlan gibt’s was zwischen die Augen, beim korrupten Sheriff reicht ein Hieb mit dem Gewehrkolben auf den Adamsapfel.
Das schwache Geschlecht ist auch vertreten: für die Einheimischen steht Helen Sanchez (Stella Garcia). Mit ihr wird Joe Kidd den lieblichen Ort Sinola verlassen. Bei Blondie Elma (Lynne Marta) wäre er fast schwach geworden. Eine runde Sache mit einem Hauch Italo-Feeling.