Silence Becomes You ist ein sehr mutiger Film, der auf dem schmalen Grat zwischen Kunst und Prätentiösität wandelt, dabei aber nie ins Beliebige abstürzt, sondern ein durchgängiges – wenn auch schwer zu durchschauendes — visuelles und dramaturgisches Konzept verfolgt. Zwar ist der Plot der verzwickten, düsteren Dreiecksgeschichte stellenweise recht simpel. Aber: Was Silence Becomes You dennoch sehr interessant macht, ist die minutiöse Charakterstudie der beiden Frauen. Die surreale und dichte Atmosphäre der Bilder ist umwerfend und gibt dem experimentellen Drama zusätzlichen Reiz. Denn die beiden Frauen leben in ständigem Kontakt mit der Familiengeschichte, aus der ihr übermächtiger Vater immer wieder hervortritt. Die Bilder sind niemals eindeutige Abbildung, sie repräsentieren keine äußere Wirklichkeit, sondern eine mentale Realität, die zwischen den beiden Schwestern umstritten ist. Grace wacht eifersüchtig über dieses Eigenreich. Und Violet? Sie will nach draußen…

Lange wird es sicherlich nicht mehr dauern, bis die letzten Kinofilme auf 35-mm-Film aufgenommenen Streifen von Riesenspulen in den Kinos abgespielt werden. Es sieht so aus, als ob Filmrollen zukünftig unter dicken Staubschichten verenden werden. Was der Sound schon längst ist, werden die Bilder auch bald sein, nämlich rein digital und so wurde Silence Becomes You auch aufgezeichnet. Obwohl der schräge Streifen mit Alicia in den USA direkt an den DVD-Verleih durchgereicht wurde, haben wir die Chance, die herausragende Schärfe und die fantastische Farbwiedergabe der neuen digitalen Technik nun vor dem heimischen TV zu erleben.

(Jean Lüdeke)