Signs And Wonders

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Die Macht der wunderlichen Zeichen

Ist es bei den Kleinen noch der kindliche Animismus, gilt es bei Erwachsenen bereits als abergläubisch, übertrieben esoterisch oder schlicht schrullig, banalen Ereignissen des Alltags eine konkrete Bedeutung für das eigene Leben zuzuweisen. Dass die Schritte genau in die Kästchens des Pflasters passen müssen und ein Gedanke dann wichtig ist, wenn gerade die Straßenlaternen aufleuchten, verliert dann den spielerischen Charme, wenn ein Mensch beginnt, bedeutsame Entscheidungen davon abhängig zu machen und diese als unabwendbares Schicksal zu deklarieren, so wie der spleenige Held in Jonathan Nossiters Signs And Wonders.
Alec Fenton (Stellan Skarsgård) lebt als erfolgreicher amerikanischer Geschäftsmann mit seiner Frau Marjorie (Charlotte Rampling), die bei der Botschaft der Vereinigten Staaten arbeitet, und seinen beiden Kindern in Athen. Kalkuliert der Mann in der Lebensmitte auch geschäftlich sehr nüchtern, so ist er privat eher ein verspielter Zeitgenosse, der überall in seinem Alltag kleine Zeichen ausmacht, denen er eine Bedeutung zuerkennt, was er vor allem im liebevollen Umgang mit seiner Tochter Siri (Ashley Remy) kultiviert. Die beiden haben sich mit großem Vergnügen eine kleine Welt aus konstruierten Codes und Regeln erschaffen, in der sie zufälligen Erscheinungen wie bestimmten Begegnungen oder der Anzahl von „Augen“ im Straßenpflaster eine mystische Bedeutung zuordnen – ein zunächst humorig harmlos anmutendes Spiel innerhalb der engen Vater-Tochter-Beziehung. Doch das so intakt wirkende Familienleben gerät ins Wanken, als Alec seiner Frau eines Tages spontan gesteht, dass er bereits eine Weile eine heimliche Affäre mit seiner amerikanischen Kollegin Katherine (Deborah Kara Unger) hat.

Marjorie reagiert gefasst, und rasch beendet Alec das Verhältnis, weil alle Zeichen darauf hinweisen, und Katherine kehrt verletzt in die USA zurück. Bei einem Skiurlaub der gesamten Familie Fenton in der Schweiz allerdings trifft Alec Katherine scheinbar überraschend wieder, und dieses Mal verlässt er die Seinen und geht mit seiner Geliebten nach Amerika, so heftig berührt ihn die vermeintlich schicksalshafte Wendung, zumal Katherine auch noch einen Schal in der für ihn bedeutungsstarken Farbe gelb trug, der ihn zu ihr geführt hat. Als sie ihm später jedoch gesteht, dass sie diese Begegnung inszeniert hat, um ihn zurückzuerobern, fühlt er sich betrogen und reist erneut nach Athen, um wieder bei seiner Familie zu sein – sie waren ja nicht „echt“, die Zeichen. So sehr sich alle darüber freuen, ist Marjorie nicht gewillt, Alec nach der Scheidung erneut aufzunehmen, zumal sie in dem oppositionellen Journalisten Andreas (Dimitris Katalifos) eine neue Liebe gefunden hat.

Alec bemüht sich so engagiert wie verzweifelt darum, die alten, glücklichen Zeiten wiederherzustellen und versinkt dabei zunehmend im Universum seiner explodierenden Zeichen, in welches er seine Tochter Siri verstärkt involviert, die still darum zu kämpfen beginnt, ihren geliebten Papa in die Familie zurückzuholen. Auch Katherine ist wieder heimlich in Athen und streut ihrerseits Hinweise für Alec, um ihn wieder für sich zu gewinnen, ohne sich zu zeigen und ihm zu erzählen, dass sie schwanger ist. Die Situation eskaliert, belastend und schließlich bedrohlich für alle Beteiligten, vor allem aber für den neuen Geliebten Marjories, denn Andreas stoßen immer gefährlichere Dinge zu, und zunächst weist natürlich alles auf Alec als Täter hin, der dann auch verhaftet wird und zu begreifen beginnt, wie ernsthaft pathologisch sich sein Spleen entwickelt hat. Doch die Weichen des Unglücks sind bereits gestellt, und es kommt zur Katastrophe, als Marjorie mit den Kindern und ihrem neuen Mann dessen Familie in den Bergen besucht …

Es ist eine leicht unausgewogene Mischung aus mystisch angehauchtem Thriller und psychologisierender Familienstudie, die Signs And Wonders ausmacht, wobei eine teilweise intensive, gelungene Inszenierung mit beinahe ärgerlichen Schwächen der Dramaturgie kollidiert, die den ansteigenden Spannungsbogen manchmal unnötig unterbrechen. Als herausragend ist die Filmmusik von Adrian Utley zu nennen, die die Dichte der Emotionen und Verwirrungen sehr gekonnt unterstreicht. Der Film lief im offiziellen Wettbewerb der Berlinale 2000, konnte jedoch die Presse kaum begeistern, und die Wahl des Regisseurs, das Ganze auf Video zu drehen, wurde ebenso zwiespältig aufgenommen. Dennoch ist Signs And Wonders sicherlich kein übler Film, dessen Darsteller die Defizite der Geschichte durch ihr überzeugendes Agieren nicht selten durchaus auszugleichen vermögen.

Signs And Wonders

Ist es bei den Kleinen noch der kindliche Animismus, gilt es bei Erwachsenen bereits als abergläubisch, übertrieben esoterisch oder schlicht schrullig, banalen Ereignissen des Alltags eine konkrete Bedeutung für das eigene Leben zuzuweisen.
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