Short Cut to Hollywood

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Rabenschwarzes Roadmovie

Andy Warhols Diktum, dass jeder ein Star werde könne, und sei es nur für 15 Minuten, ist mittlerweile keine Provokation oder Utopie mehr, sondern längst ein integraler Bestandteil der Medienwelt. Casting-Shows wie DSDS, Dschungelcamps und Talkmaster wie Stefan Raab kreieren, recyceln und verschleißen ohne Unterlass B-, C- und Z-Promis, bauen Karrieren auf und lassen „Sternchen“ so schnell wieder verglühen, dass man Mühe hat zu folgen, wer gerade noch „in“ ist und wer schon wieder „out“. Trotzdem: Die Aussicht auf den schnellen Ruhm und das schnelle Geld hat auch in Zeiten der Krise nicht abgenommen – im Gegenteil.
Krisenstimmung herrscht auch bei der Berliner Combo „Berlin Boys“. Die Karriere der vermutlich ältesten und erfolglosesten Boy Band Deutschlands, bestehend aus den drei Mittdreißigern Johannes Selinger (Jan Henrik Stahlberg), Mattias „Matt“ Welblinger (Marcus Mittermeier) und Christian Hannawald alias „Chrismon“ (Christoph Kottenkamp) will nicht so recht in Gang kommen. Doch der wahre Erfolg winkt sowieso in den USA: „If you can make it there, you can make it anywhere“, so lautet frei nach Frank Sinatra, der dies für New York in Anspruch nahm, die Devise der drei chronisch klammen „Künstler“. Doch weil der Durchbruch allein aufgrund des eher bescheidenen Talents eher unwahrscheinlich ist, kommen die Mannen um John F. Salinger, wie sich Johannes mittlerweile nennt, auf eine Idee, die es in sich hat: Während ihrer Reise quer durch die Staaten wird sich John im Namen des Ruhms ein Körperteil nach dem anderen amputieren lassen und am Ende sterben – alles natürlich minutiös für die Nachwelt und die Medien festgehalten. Anfangs scheint der zweifelhafte PR-Coup nicht zu glücken. Mit der Zeit aber springen immer mehr Medien auf den Zug auf und schlachten den irren Trip der drei Berliner Musiker, die sich nun „Bagdad Street Boys“ nennen, waidlich aus – der lang ersehnte Ruhm ist endlich da. Doch dann rückt das mit einem TV-Sender vereinbarte Sterbedatum und die finale Live-Show, die viel eher eine „Dead-Show“ genannt werden müsste, unaufhaltsam näher…

Dass Filme – besonders dann, wenn sie die ausgetretenen Pfade des Mainstream verlassen – manchmal extrem polarisieren und den verwirrten Zuschauer zu der hilflosen Bemerkung veranlassen, dass halt alles Geschmackssache sei, war selten so verständlich wie beim neusten Streich von Marcus Mittermeier und Jan Henrik Stahlberg. Wie schon bei ihrem anarchischen Erstling Muxmäuschenstill kümmern sich die beiden auch bei Short Cut to Hollywood herzlich wenig um Fragen des guten Geschmacks und des eleganten Stils und dürften damit ihr Publikum ähnlich polarisieren wie mit ihrem gefeierten Debütfilm.

Bewusst schlechte Songs, schreckliche Bühnenkostüme der „Bagdad Street Boys“, gezielt eingesetzte Tabubrüche und eine Story jenseits der behaupteten Realität (hoffentlich ist dies zumindest so): Mit viel Liebe zum Trash haben Marcus Mittermeier und Jan Henrik Stahlberg wieder einmal tief in den Fundus der Kolportage gegriffen und einen Film auf die Leinwand gebracht, wie man ihn so selten in deutschen Kinos sieht. Die wüste und makabere Geschichte dreier Loser, die sich im Namen des Ruhms im wahrsten Sinne des Wortes ausschlachten lassen, beginnt zunächst recht gemächlich als schräges Musical im Stile von Märzmelodie (ebenfalls mit Jan Henrik Stahlberg in der Hauptrolle), um dann in den USA langsam Fahrt aufzunehmen und nach einigen Umwegen und Holperstrecken (die Liebesgeschichte Johns beispielsweise wirkt reichlich aufgesetzt) in ein überraschendes Finale zu münden.

Rabenschwarzes Roadmovie, ätzende Mediensatire oder vollkommen misslungener Trash – Short Cut to Hollywood bietet von all dem ein bisschen und entlässt den Zuschauer mit dem gleichen schalen Gefühl aus dem Kino, wie dies bereits Muxmäuschenstill tat. Man kann den Film und seine soziopathischen Figuren nicht wirklich mögen, wird aber zugleich das Gefühl nicht los, dass in all dem Schwach- und Flachsinn im Kino ein Film wie dieser ein wirkliches Anliegen hat und wichtige Themen anspricht, die jeden von uns angehen.

Trotz heftiger Szenen und viel Lust am Absurden kann Short Cut to Hollywood nicht im gleichen Maße überraschen und überzeugen wie Muxmäuschenstill. Gleichwohl lohnt sich der Besuch des Films vor allem für Kinofans, die derbem Humor und trashigen Scherzen an der Grenze des guten Geschmacks nicht abgeneigt sind. Dass die Macher beim Schreiben und Drehen des Films unglaublich viel Spaß gehabt haben dürften, sieht man ihnen durchaus an. Ob ihnen das Publikum bei diesem Spaß folgen wird, ist hingegen weniger sicher.

Short Cut to Hollywood

Andy Warhols Diktum, dass jeder ein Star werde könne, und sei es nur für 15 Minuten, ist mittlerweile keine Provokation oder Utopie mehr, sondern längst ein integraler Bestandteil der Medienwelt. Casting-Shows wie DSDS, Dschungelcamps und Talkmaster wie Stefan Raab kreieren, recyceln und verschleißen ohne Unterlass B-, C- und Z-Promis, bauen Karrieren auf und lassen „Sternchen“ so schnell wieder verglühen, dass man Mühe hat zu folgen, wer gerade noch „in“ ist und wer schon wieder „out“.
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Meinungen

@4LOM · 14.05.2009

Doch hab ich ihn aus Versehen gelöscht. Sorry. Mike

4LOM · 14.05.2009

Oh sorry, wurde er ja gar nicht. Aber beim erneuten Aufrufen der Seite war er nicht zu sehen.

4LOM · 14.05.2009

Warum wurde meine Bemerkung zum Film hier gelöscht?