Shank

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

London, Stadt der Verlorenen

In fünf Jahren, so vermittelt der britische Regisseur Mo Ali in seinem Film Shank, ist die britische Metropole eine Welt, in der es für Kinder kaum mehr Hoffnung oder gar eine Zukunft gibt. Zumindest dann nicht, wenn sie nicht zu den wenigen Privilegierten im Lande zählen. Der Staat, so malt der Film aus, hat alle Sozialleistungen gestrichen, die Reichen und Mächtigen verschanzen sich in hermetisch gesicherten festungsartigen Vierteln, während draußen auf den Straßen ein erbarmungsloser Verteilungskampf tobt. Und der wird vor allem zwischen jugendlichen Gangs ausgetragen, die ständig auf der Jagd sind nach Essbarem – oder wie es im Film heißt nach „Fressalien“.
Rager (Ashykl Bashy Thomas) ist der Anführer der (leider insgesamt sehr dumpfbackig geratenen) „Paper Chazers“, einer Gang, die im Gegensatz zu anderen, Gewalt weitgehend ablehnt und versucht, möglichst ohne Stress an Fresszeugs zu kommen. Das ändert sich aber, als Rager nach einem missglückten Überfall auf einen Transporter mit Lebensmitteln von Tugz, dem noch kindlichen Anführer der Gang „The Souljahz“ erstochen wird. Junior (Kedar Williams-Sterling), Ragers ebenfalls noch sehr junger Bruder, schwört Rache und schafft es schließlich, die zögernden Paper Chazers hinter sich zu bringen. Begleitet von einigen Mädchen, den „Slaughter Gurlz“, die ebenfalls noch eine Rechnung mit Tugz offen haben, machen sie sich auf den gefährlichen Weg zu ihren Feinden…

Was hätte man aus diesem Film machen können – die Ausgangssituation ist jedenfalls durchaus spannend und denkt reale Probleme wie die wachsende Bandenkriminalität in Großbritannien und den zunehmenden Abbau des Sozialstaates konsequent weiter. Umso bedauerlicher ist gerade deswegen die merkwürdige Mischung aus Betroffenheit, Videogame-und Musikclip-Ästhetik sowie eingestreuten und recht sinnlosen Dance-Acts und Rap-Attacken, die die dünne Rache-Story aufpeppen sollen. Die funktioniert ebenfalls wie ein Computerspiel, zunächst muss sich Junior Level um Level hocharbeiten und verschiedene Konfronationen überstehen, bevor ihm endlich die Rache für seinen ermordeten Bruder zugestanden wird. Und dann endlich – viel zu spät, wird der Film plötzlich emotional, lässt es tiefer in die Psyche des Jungen blicken – einen kurzen Moment lang, bevor das Ganze ins Kitschig-Sentimentale kippt.

Shank wirkt wie der misslungene Versuch, aus den Bruchstücken der Populärkultur und von Filmen wie Kidulthood (für einen kurzen Moment sieht man sogar ein Plakat des Films im Bild), aus durchaus realistischen Dystopien und vermeintlich hippen Looks nach dem Baukastenprinzip einen coolen Film zu basteln, der vor allem auf die jüngere Zielgruppe abzielt und diese von den Spielkonsolen vor den DVD-Player locken soll. Die werden sich aber nach diesem Film schnell wieder ihren Games zuwenden. Denn die sind wenigstens interaktiv und versprechen mehr Spaß als dieser bemühte und zusammengestückelte Gang-Streifen, der vor lauter Begeisterung für die Möglichkeiten der Gestaltung die Feinheiten seiner Story und seiner Figuren vollkommen vergisst. Die apokalyptische Trümmerlandschaft Londons wird hier zur reinen Kulisse, das Schicksal der marodierenden und hungernden Menschen, ihr Leiden und ihre Versuche, inmitten des Chaos noch einen Rest an Würde zu behalten, wirken stets behauptet, aber niemals glaubwürdig.

Shank

In fünf Jahren, so vermittelt der britische Regisseur Mo Ali in seinem Film „Shank“, ist die britische Metropole eine Welt, in der es für Kinder kaum mehr Hoffnung oder gar eine Zukunft gibt. Zumindest dann nicht, wenn sie nicht zu den wenigen Privilegierten im Lande zählen.
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