Log Line

Strippen, tanzen, feiern – Leilah Weintraub stürzt sich in den Mythos der queeren Underground-Partyreihe Shakedown.

Shakedown (2018)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Tanz!

Im Jahr 2002 hat Leilah Weinraub das erste Mal ein Shakedown-Event besucht – eine Club-Strip-Dance-Party für die queere Westküstenszene, betrieben von und gerichtet vor allem an Frauen. Schon bald hat sie dann angefangen, die Auftritte und Shows der Tänzerinnen – Shakedown Angels genannt – zu filmen. Über 400 Stunden Filmmaterial ist dabei zusammengekommen, das die Basis für ihren Film Shakedown darstellt, der in der Panorama-Sektion der Berlinale 2018 seine Weltpremiere feiert.

Titeleinblendungen markieren den Beginn von Shakedown, auf denen die nun folgenden Szenen mit Nummern versehen eingeblendet werden. Dann folgen Bilder von Egypt, der bekanntesten Performerin des Shakedown, die einen Flyer vorliest. Es sind nur wenige Erklärungen, die man hier bekommt, vielmehr geht es um die Eindrücke, die Bilder, den Rausch. Shakedown war eine Partyreihe des afroamerikanischen lesbischen Undergrounds in Los Angeles der frühen 2000er Jahre. Und sie war klar auf Underground ausgelegt: Stattgefunden hat sie in einem unscheinbaren Gebäude, von den Partys war durch Flyer und Mund-zu-Mund-Propaganda zu erfahren. 

Shakedown ist mittlerweile eine Art Legende, ein Mythos über eine Partyreihe, in der es immer auch um Geld, aber darüber hinaus um so viel mehr ging. Um diesem Phänomen nachzuspüren, täuscht Leilah Weintraub niemals Objektivität oder Distanz vor. Sie setzt auf ihr gefilmtes Material, auf Flyer und auf Interviews mit den Tänzerinnen, in denen nochmals sehr deutlich wird, dass Weintraub eine Vertraute ist, sie gehört dazu und will dazugehören. 

Dabei sind die Gesprächspartnerinnen klug ausgewählt: Den historischen Rahmen der Partyreihe geben die Gespräche mit trans Frau Mahogany, die in den 1980er Jahren queere Strip-Shows und Bälle veranstaltet hat. Bekannt für die Partys Divas for Dollars und den Ball The Catch is Burning erzählt sie, wie Ronnie-Ron bei dem Ball die „stud category“ gewonnen und dann mit Mahoganys Unterstützung Shakedown gestartet hat. Dahinter steckt eine einfache Idee: Für das hauptsächlich weibliche Publikum strippen und tanzen die Frauen. Unzählige dieser Auftritte sind in dem Film zu sehen, sehr viele Booty Dances zu Hip-Hop, während die Zuschauerinnen Dollars in die Stringtangas der Tänzerinnen stecken.

Narrative Begleitung geben die Gespräche mit Egypt. Sie erzählt, dass sie als Egypt jemand ganz anderes sein kann, sie kann wie eine Barbie sein, sie kann SM sein, sie kann tun, was immer sie tun will. Die Tänzerinnen kreieren somit jeden Abend eine Identität, zugleich aber müssen sie auch ihr Tun und Sein miteinander in Verbindung bringen. Das beschränkt sich natürlich nicht nur auf die Performerinnen, sondern jede Frau muss ihre Feminität finden, ihr Selbst definieren. Aber Shakedown macht sehr deutlich, dass es nicht nur ein oder zwei Formate von Weiblichkeit gibt.

Darüber hinaus lassen sich die Tänzerinnen auch über ein zweites zentrales Thema aus: das Verhältnis von Geld und Begehren. Auf den ersten Blick scheinen sich die Shakedown-Partys kaum von Strippartys mit einem männlich-heterosexuellen Publikum zu unterscheiden: In expliziten Aufnahmen ist zu sehen, wie Frauen sich ausziehen und Dollars zugesteckt oder zugeworfen bekommen. Je mehr Bilder man jedoch sieht, je genauer man auf das Publikum achtet, desto deutlicher wird, dass es hier um weibliches Begehren geht. Dadurch thematisiert Shakedown einen Aspekt des Geldverdienens mit Erotik und Begehren, der sonst kaum beachtet wird. 

Die Partyreihe fand letztlich ihr Ende, weil die Polizeirazzien zunahmen. Es ist ein harter, ein herzzerreißender Moment, wenn „the Queen of Shakedown“ Jazemine mitten in ihrem Auftritt plötzlich von der Polizei festgenommen wird. Ihre Arme mit Handschellen auf dem Rücken gebunden, sie selbst fast vollständig nackt. Man spürt die Scham und die Demütigung, die sie in diesem Moment empfindet, obwohl man ihr Gesicht gar nicht sieht – aber die Reaktionen der Umstehenden verdeutlichen es. 

Das Ausmaß dieses Verlustes und die Bedeutung, die Shakedown für viele hatte, fassen die Zeilen zusammen, die Egypt am Ende auf Bitten von Leilah Weintraub vorliest:

„Nothing is what it seems from the outside, from the outside, things look pretty much the same: in LA, there are strip malls, brown buildings, and concrete streets. For miles, strechting in all directions, palm trees and cars. At night, it’s more of the same, but less light and less cars. Some places are just hard zu find“.

Denn diese Partys waren auch ein Ort, an dem sich die Szene treffen konnte, an dem nicht sie die „Freaks“ waren – wie in einem O-Ton betont wird – und an dem die Beteiligten Zusammenhalt und Solidarität fanden.

Shakedown (2018)

Die von und für afroamerikanische Frauen in L.A. gegründete Partyreihe „Shakedown“ hostete Go-go-Dance und Strip-Shows für den lesbischen Underground der Stadt. Inspiriert von der trans Frau Mahogany, die als Mutter der Szene in den Achtzigern queere Strip-Shows und Bälle für ein nicht heterosexuelles Publikum veranstaltete, initiierte, produzierte und präsentierte die Butch Ronnie Ron die Events: Shows, in denen das hauptsächlich weibliche Publikum aus der „hood“ den Tänzerinnen für ihre Lapdances Dollars in die Panties steckt, während sie auf Hip-Hop-Beats lesbische Sexualität feiern.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Elliot Titze · 18.03.2022

Danke für den Artikel! Ich hab selbst von dieser Doku or kurzem gerade auf autostraddle - einer queeren Internet-Plattform - gehört und wollte mehr darüber wissen.

Als queere Person saugt man besonders die Underground Stories gerne auf, da sie so viel aussagen über die Zähheit und den Selbsterfindungsreichtum queerer Menschen.

Ich hätte an dieser Stelle auch eine dringende Bitte: bitte überarbeiten Sie den Artikel, damit er auch diskrimierungsfrei zu lesen ist. "Transfrau" ist nicht die richtige Schreibweise, sondern "trans Frau". Die erste Schreibweise hat eine sehr abgrenzende Wirkung und lässt es so wirken, als wären "Frauen" und "Transfrauen" was anderes. Schreibt man "trans" hingegen klein, so ist es nicht viel mehr, als wenn man schreiben würde "blond" (Bsp.: "die blonde Frau"). Sie wird dadurch nicht ge-"othered", es ist lediglich eine zusätzliche Eigenschaft, eine Information, die seperat zu ihrem Frau-Sein steht. Vielen Dank!

Kino-Zeit · 21.03.2022

Danke für deinen Hinweis und die dazugehörige Erklärung! Wir haben die Textstellen angepasst.
Liebe Grüße, dein Kino-Zeit Team