Sennentuntschi

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Die Schweiz ist voll der Horror

Was machen Schweizer Hirten eigentlich, wenn sie den Sommer monatelang ganz ohne weibliche Begleitung auf der Sommeralm verbringen? Diese Frage mag man sich bisher noch nicht unbedingt gestellt haben – und das muss man ab jetzt auch nicht mehr, denn der Schweizer Horrorfilm Sennentuntschi beantwortet diese auf ganz eigene und vor allem spannende Weise. Denn, so erfährt man gleich in der ersten halben Stunde, die Legende besagt folgendes: Wenn der Senne allein ist, baut er sich eine Frau aus Besen, Stroh und allem, was sonst noch so rum liegt zum Zwecke der Ersatzbefriedigung. Doch wie so oft (insbesondere im Horrorfilm) folgt die Strafe für unziemliche sexuelle Gelüste auf dem Fuße. Denn in diesem Fall erwacht das „Sennentuntschi“ zum Leben und rächt sich bitterlich, indem es dem nichtsahnenden Lustmolch die Haut abzieht. So viel zur alten schweizerischen Legende, die dem Mystery-Thriller in leicht abgewandelter Form zugrunde liegt. Eine schöne Idee, in den eigenen Gefilden nach neuem Filmstoff zu suchen – zumal die Schweiz mit ihren entlegenen Bergdörfern und gruseligen Berg-Mythen dafür ja geradezu prädestiniert ist.
Aus der uralten Sage formt Regisseur Michael Steiner gemeinsam mit seinen beiden Co-Autoren Michael Sauter und Stefanie Japp eine auf zwei alternierenden Zeitebenen aufgebaute Geschichte um ein junges, stummes und sichtlich verwildertes Mädchen (Roxane Mesquida), das im Jahre 1975 nach dem mysteriösen Tod eines jungen Priesters im Bündner Bergdorf Trepunt wie aus dem Nichts auftaucht. Keiner kennt sie, keiner hat sie je zuvor gesehen und bis auf den Dorfpolizisten Reusch (Nicolas Ofrazek) will auch keiner etwas mit ihr zu tun haben. Schnell entstehen Gerüchte, dass das Mädchen von der Höhenalp komme, wo Erwin (Andrea Zogg), Martin (Carlos Leal) und der stumme Albert (Joel Basmann) gerade arbeiten. Als Reusch die drei zu der Frau befragen will, ist keiner der Sennen aufzufinden. Schnell dämmert es dem wackeren Polizisten, dass hier etwas Grausames, etwas Ungeheuerliches geschehen sein muss. Was genau, das enthüllt sich erst Jahrzehnte später, in der Jetzt-Zeit. Die Vögel zwitschern und ein kleines Mädchen sammelt Pilze im Wald. Plötzlich taucht ein stummer Junge auf, der ihr den Weg einer Stelle zeigt, wo besonders viele Pilze wachsen. Die Form allerdings, in der die Pilze aus dem Boden sprießen, erinnert in fataler Weise an einen menschlichen Körper…

Michael Steiners Sennentuntschi beginnt schauerlich und webt viele klassisch „gotische“ Horrormotive in die Handlung ein. Im Verlaufe des Filmes wird daraus dann eher ein Mystery-Thriller, der mitunter recht amerikanisch in Szene gesetzt wird. Schon der Vorspann erinnert ein klein wenig an jenen der CSI-Folgen. Die Inszenierung ist zackig. Die Schnitte sind schnell und clever, die Ebenen wechseln häufig zwischen verschiedenen Zeiten und Orten hin und her. Das hält die Spannung hoch und legt falsche Fährten – genau so, wie man es sich von diesem Genre auch erwartet.

Schade nur, dass dabei ein paar inhaltliche Ungereimtheiten entstehen, die den Zuschauer hin und wieder stutzen und sich am Ende auch nicht völlig sinnvoll auflösen lassen. Schade auch, dass vor allem aus den Höhenalp-Bewohnern wenig herausgeholt wird. Sie sind und bleiben recht einseitige Charaktere, deren psychologische Präsenz so hölzern ist wie ihr gebautes Tuntschi. Im Großen und Ganzen aber ist Sennentuntschi erfrischend unterhaltsames Kino mit viel Schweizer Charme. Und ein Beweis dafür, dass interessantes und erfolgreiches Genre-Kino keineswegs nur eine rein amerikanische Angelegenheit sein muss — schließlich war Sennentuntschi 2010 in der Schweiz der erfolgreichste Film des Jahres. Wer weiß, vielleicht kann man ja bald den ersten deutschen Berg-Horrorfilm aus deutschen Landen bewundern; die Sagen und Legenden der Alpen böten jedenfalls viel Ausgangsmaterial für solche Experimente.

Sennentuntschi

Was machen Schweizer Hirten eigentlich, wenn sie den Sommer monatelang ganz ohne weibliche Begleitung auf der Sommeralm verbringen? Diese Frage mag man sich bisher noch nicht unbedingt gestellt haben – und das muss man ab jetzt auch nicht mehr, denn der Schweizer Horrorfilm „Sennentuntschi“ beantwortet diese auf ganz eigene und vor allem spannende Weise.
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