Seine Gefangene

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Knapp zwanzig Werke hat der französische Filmemacher Henri-Georges Clouzot (1907-1977) zeit seines Lebens als Regisseur realisiert, und er gilt zu Recht als akribischer, außerordentlich kreativer Meister der innovativen Filmkunst. Seine berühmten Inszenierungen wie Lohn der Angst / Le salaire de la peur (1953) und Die Teuflischen / Les diabolique (1955) sind vom Publikum wie von der Kritik begeistert gefeiert worden, und das Material des letztlich gescheiterten Projekts L’enfer von 1964 stellt ein posthum entdecktes Zeugnis seines extravaganten Schaffens dar. Die Dokumentation Die Hölle von Henri-Georges Clouzot / L’enfer d’Henri-Georges Clouzot aus dem Jahre 2009 von Serge Bromberg und Ruxandra Medrea, innerhalb welcher die kuriose Geschichte dieses unvollendeten, legendären Films konstruiert wird, erscheint nun innerhalb einer Premium Edition bei Arthaus, die als Extra-DVD die letzte Regiearbeit von Henri-Georges Clouzot präsentiert: Seine Gefangene von 1968, der mit seiner provokant-prickelnden erotischen Thematik und seinen faszinierenden Kunst-Installationen ein ungeheuer ansprechendes visuelles Erlebnis bietet.
Josée (Elisabeth Wiener) arbeitet in einem Fernsehstudio, und Gilbert (Bernard Fresson) ist ein aufstrebender moderner Künstler, der gerade in den hektischen letzten Vorbereitungen zu einer Ausstellung in der Galerie seines exzentrischen Freundes Stanislas (Laurent Terzieff) steckt. Das Paar pflegt eine lebendige, fröhliche Beziehung miteinander, die auf der Verabredung basiert, sich immer alles zu erzählen, was vor allem für kleine Eskapaden mit anderen Frauen und Männern gilt, die in diesem Rahmen durchaus gestattet sind. Bei der Ausstellungseröffnung sieht Josée, wie Gilbert eine Frau küsst, mit der er bald darauf loszieht, und sie selbst landet an diesem Abend beim Galeristen Stanislas, dessen geheime Gemächer ganz auf seine voyeuristischen Spielereien ausgerichtet sind. Passioniert beschäftigt sich der mondäne Einzelgänger mit erotischer Fotografie, die von der Unterwerfung seiner gut bezahlten Modelle dominiert wird, die er aus hübschen jungen Frauen rekrutiert. Als Josée, die sich auch gerade beruflich mit dieser Thematik beschäftigt, entsprechende Bilder bei Stanislas betrachtet, reagiert sie zunächst befremdlich, doch mit der Zeit übt der distanzierte Kunsthändler mit seiner extremen Parallelwelt einen gebannten Reiz auf sie aus. Im Zuge gemeinsamer erotischer Experimente verliebt sich Josée in den attraktiven Mann, der sich nur höchst zögerlich persönlich auf sie einlässt, was auch zwischen ihr und Gilbert zu einer ernsthaften Krise führt. Doch auf dem Terrain realistischer Beziehungen jenseits seines Fetisch-Universums zeigt sich Stanislas recht unbeholfen und leicht verwirrt, so dass sich schließlich für alle Protagonisten eine Katastrophe anbahnt …

Mit der Betonung auf den emotionalen Stimmungen und Schwingungen seiner Protagonisten, die sich vor allem in ihren intensiven Blicken und konzentriert fokussierten Begegnungen widerspiegeln, ist Henri-Georges Clouzot mit Seine Gefangene ein packendes Drama in ansprechendem künstlerischen Ambiente gelungen, das nicht zuletzt durch seine intensive erotische Komponente besticht. Der französische Regisseur versteht es mit seinen prägnanten, pointierten Bilder- und Lichtkompositionen ganz meisterhaft, die Verhältnisse und Verstrickungen dieser Geschichte auf beklemmende Weise zu visualisieren, wobei er sich den Phänomenen der Unterwerfung und Dominanz im Spannungsfeld von Nähe und Distanz auf erfreulich unmoralische Art widmet, derem offenkundigen Voyeurismus sich auch der Zuschauer bei Zeiten nicht zu entziehen vermag. Dabei erreicht dieses außergewöhnliche filmische Kleinod einmal mehr durch das drastische Ende eine triste Melancholie, die tiefgründige Fragen nach der Einsamkeit der menschlichen Kreatur und ihrer Sehnsucht nach Liebe transportiert.

Seine Gefangene

Knapp zwanzig Werke hat der französische Filmemacher Henri-Georges Clouzot (1907-1977) zeit seines Lebens als Regisseur realisiert, und er gilt zu Recht als akribischer, außerordentlich kreativer Meister der innovativen Filmkunst.
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