Schiffe aus Wassermelonen

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

Unerreichbare Hoffnungen

Was gibt es Langweiligeres als sich in einem gottverlassenen Dorf in der tiefsten Provinz Anatoliens zum Melonenverkäufer ausbilden zu lassen? Noch dazu an einem Melonenstand, der kein richtiges Geschäft zu machen scheint, da es ja kaum potentielle Kundschaft gibt und die wenigen Menschen, die am Tag vorbei schauen, an einer Hand abzuzählen sind. Kein Wunder, dass sich der halbwüchsige Lehrling Recep (Ismail Hakki Taslak) und sein Kumpel Mehmet (Kadir Kaymaz) in eine umso aufregendere Welt träumen. Natürlich in keine geringere als die des Kinos. Für Chefmelonenverkäufer Kemal (Mustafa Çoban) sind diese Träumereien doch nur „unerreichbare Hoffnungen“ oder wie er es so ganz in seinem Fachjargon auszudrücken vermag „Schiffe aus Wassermelonen“. Doch das hält die beiden Jungs nicht davon ab, in ihrer freien Zeit, restliche Filmschnipsel in den Müllhaufen ihrer geliebten Kinos zu suchen und zu sammeln, bis sie irgendwann eine ganze Kiste davon angehäuft haben. Der Traum vom eigenen Kino setzt voraus, diese einzelnen Bilder auch in Bewegung zu setzen. Und dann ist es so köstlich, wie sie versuchen, per manueller Handbewegung die vielen aneinander gereihten statischen Bilder zu einem lebenden Bild zu verschmelzen. Und wie sie da so rumhantieren und rumexperimentieren, verzweifelt versuchen, den Cowboy zum Reiten zu bringen und partout die 24 Bilder pro Sekunde nicht zustande bringen, dann ist das schon eine wunderbare Reminiszenz an die Geburt des Kinos.
Mit seinem Debütfilm Schiffe aus Wassermelonen huldigt der türkische Regisseur Ahmet Ulucay nicht nur seiner große Leidenschaft für das Kino, sondern erzählt auch ein Stück Geschichte aus seiner eigenen Jugend. Wie seine beiden Protagonisten stammt auch er aus einem kleinen Dorf, wo er bei mobilen Kinobetreibern sich soviel wie nur möglich abschaute und sich die Grundkenntnisse des Filmemachens selbst beibrachte. Die Wurzeln für sein filmisches Schaffen, das bislang zahlreiche Kurzfilme umfasst, liegen für den Autodidakten nach eigenen Angaben bei Lumière. Denkt man an den aus Holz gebastelten Projektor im Film, dann erinnert das unübersehbar an die filmischen Experimente der Brüder Lumière, die mit der Erfindung des ihres Cinématographen den gewaltigen Durchbruch in der Entwicklung der modernen Filmtechnik schafften. Es sind diese filmtechnischen Aspekte, die Ulucay ganz besonders faszinieren.

Obwohl Schiffe aus Wassermelonen eine schöne Hommage an die Anfänge des bewegten Bildes sind, ist der Film in den 1960er Jahren angesiedelt. Das stimmt einerseits zeitlich mit den eigenen biographischen Eckdaten der Biographie Ulucays überein, anderseits ist es eine schöne, vermeintlich unbewusste Anspielung auf das stürmische Kino dieser Periode, die neue Generation von Filmemachern, der ästhetische Neuanfang – kurz die in Frankreich einsetzende Nouvelle Vague, allen voran Filmemacher Francois Truffaut. Ein Kritiker der Cologne Conference 2005 brachte es sehr gut auf dem Punkt, als er schrieb, Schiffe aus Wassermelonen sei mit der Leichtigkeit Truffauts und der visuellen Brillanz Kiarostamis erzählt. Auch wenn es kein Truffaut-Film aus seinem wunderbaren Antoine-Doinel-Zyklus ist, dann doch eine kleine sehenswerte Entdeckung des türkischen Kinos.

Schiffe aus Wassermelonen

Was gibt es Langweiligeres als sich in einem gottverlassenen Dorf in der tiefsten Provinz Anatoliens zum Melonenverkäufer ausbilden zu lassen?
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