Satansbraten

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Bittere Abrechnung mit der 68er Generation

„Was die Heiden von uns unterscheidet, ist jene am Ursprung all ihrer Glaubensformen unternommene Anstrengung, nicht vom Menschen aus zu denken, um die Verbindung mit der ganzen Schöpfung, das heißt mit der Gottheit, zu erhalten.“ Mit diesen Worten Antonin Artauds beginnt Satansbraten, einer der bis heute umstrittensten Filme Rainer Werner Fassbinders, der bei seiner Uraufführung anlässlich der Mannheimer Filmwoche im Jahre 1976 tumultartige Proteste hervorrief. Kein Wunder, war der Film doch ein dreister Affront gegen die spießige und miefige Szene der Kulturschaffenden, die vor allem in den nachrevolutionären Zeiten dem verblassenden Ruhm bei Straßenschlachten und politischen Happenings nachhing und die bereits dabei war, den Marsch durch die Institutionen anzutreten. Dass mit Fassbinder nun ausgerechnet einer der ihren den Fehdehandschuh warf, sorgte für wütende Proteste und manch einer der Genossen entblödete sich nicht, den Regisseur als „Faschisten“ zu beschimpfen.
Einst war der Poet Walter Kranz (Kurt Raab) der „Dichter der Revolution“ – gemeint ist jene oft verklärte von 1968 – doch seit zwei Jahren ist von dem einstmaligen Ruhm nur noch wenig übrig geblieben. Vor allem aber fällt dem Dichterfürsten nichts mehr ein — außer seltsamen Oden auf Fidel Castro. Auch der Verleger von Kranz (Peter Chatel), macht nicht mehr mit und weigert sich, einen weiteren Vorschuss herauszurücken, so dass sich Kranz dringend etwas einfallen lassen muss. Seine Familie, bestehend aus der ewig nörgelnden Gattin Luise (Helen Vita) und einem grenzdebilen Bruder Ernst (Volker Spengler) fällt dem gequälten Poeten auch reichlich auf die Nerven. Als Kranz schließlich nach langer Zeit wieder einmal etwas zu Papier bringt, stellt sich schnell heraus, dass die Zeilen aus der Feder Stefan Georges entstammen, jenes berühmt Lyrikers (1868-1933), der der Linken nicht gerade nahe stand. Doch statt sich für den Fauxpas zu schämen, schwenkt Kranz dreist auf Georges Linie ein, gibt sich fortan als Nachfolger des Dichters und wurstelt sich irgendwie durchs Leben, und das obwohl er seine Geliebte Irmgart von Witzleben (Katharine Buchhammer) kaltblütig um die Ecke gebracht hat. Doch am Ende kommt alles auf seltsame Weise wieder in Ordnung – oder auch nicht, denn der ehemalige Linke hat sich zum knallharten Rechten gewandelt. Aber vielleicht ist das ja alles nur eine Frage der Sichtweise…

Satansbraten ist einer der wüstesten Filme Fassbinders, eine rasante und grelle Glosse auf den Kulturbetrieb und die Lebenslügen der Linken, mit der sich der Filmemacher in einem Dauerzwist befand. Angetreten mit hehren Idealen einer wirklichen Veränderung verraten die Protagonisten dieses Filmes all das woran sie geglaubt haben, um sich weiterhin in Arroganz und Selbstverliebtheit zu suhlen. Wenn man sich manchen der ehemaligen Straßenkämpfer heute anschaut, kann man Fassbinder in seiner bitterbösen Analyse auch heute noch nur zustimmen.

Satansbraten

„Was die Heiden von uns unterscheidet, ist jene am Ursprung all ihrer Glaubensformen unternommene Anstrengung, nicht vom Menschen aus zu denken, um die Verbindung mit der ganzen Schöpfung, das heißt mit der Gottheit, zu erhalten.“
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