Sakuran - Wilde Kirschblüte

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Das Leben einer Kurtisane

Japan in der Edo-Zeit, zu Beginn des 18. Jahrhunderts: Mit acht Jahren wurde Kiyoha (Anna Tsuchiya) an ein Bordell im Vergnügungsviertel der japanischen Hauptstadt verkauft, wo sie den Beruf einer Geisha erlernen soll. Sie lernt Gesang, Tanz, wird in der Kunst des Ikebana ebenso unterwiesen wie im Drapieren der Haare. Vor allem aber lernt sie, den Männern zu gefallen und sie mit Blicken zu umgarnen. Doch Kiyoha will sich nicht unterordnen, ein ums andere Mal versucht sie aus dem Käfig auszubrechen, wieder und wieder wird sie geschnappt und körperlich gezüchtigt, um ihren Widerstand zu brechen. Als Kiyoha zu einer jungen Frau herangewachsen ist, liegen ihr die Männer reihenweise zu Füssen, sie steigt immer weiter in der Hierarchie der Geishas auf, bis sie es schließlich zur „Oiran“, zur höchsten Stufe gebracht hat. Doch selbst hier, auf dem Gipfel dessen, was sie erreichen kann, regt sich ihr Widerstandsgeist, und sie träumt davon auszubrechen und ein Leben in Freiheit zu genießen; darauf allerdings steht die Todesstrafe…
Visuell kann Sakuran – Wilde Kirschblüte nach einem Manga von Moyoco Anno absolut überzeugen, man sieht der Regisseurin Mika Ninagawa in jeder Sekunde und jeder Einstellung an, dass sie zuvor als Fotografin gearbeitet hat. Meisterhaft versteht sie es, kleine Gesten und Blicke ebenso einzufangen wie überwältigende Farb- und Ausstattungsorgien, die virtuos zwischen verschiedenen Stimmungen und Gemütszuständen hin und her springen. Ebenso dynamisch arbeiten Kamera und Schnitt und halten den Film und seine Akteure in permanenter Bewegung, akzentuiert durch Popsongs, die Sakuran nicht als Historienschinken in prächtigen Kostümen ausweisen, sondern ihn als rasanten Videoclip erscheinen lassen, der eben nur zufällig im 17. Jahrhundert in Japan spielt. Und so ist es kein Zufall, wenn man sich immer wieder an Sofia Coppolas Pop-Histörchen Marie Antoinette erinnert fühlt und der Film tatsächlich am treffendsten als Mischung aus Die Geisha und eben jenem Werk der amerikanischen Filmemacherin zu beschreiben ist. Überhaupt hat der Film einiges mit Marie Antoinette gemeinsam: In beiden Fällen geht es um eine junge Frau, die gegen ihren Willen in eine Rolle hineingezwängt wird und die allem Erfolg zum Trotz eine Gefangene ihrer Umwelt und der Erwartungen an sie bleibt. Und in beiden Filmen neigt der Zuschauer dazu, sich von der überschäumenden visuellen Energie und den Dekors zu der Annahme verleiten zu lassen, ein Werk, das derart exaltiert der Oberfläche huldige, könne gar nichts anderes als oberflächlich sein – was in beiden Fällen nicht stimmt. Immer wieder findet Mika Ninagawa überwältigende Szenen, um die Gefangenschaft Kiyohas vor Augen zu führen – in einer der schönsten sehen wir durch ein Goldfischglas hindurch eine Straße hinab, so dass die Fische sich über die ganze Welt auszubreiten scheinen, und doch können sie ihrem unsichtbaren Gefängnis nicht entrinnen. Gibt es eine schönere Metapher für Kiyohas Lage? Und mehr als einmal fühlt man sich durch die frische und moderne Art der Inszenierung daran erinnert, dass die Geschichte dieser Geisha zwar im 18. Jahrhundert spielt, dass sich aber vieles, fast alles, in gleichem oder ähnlichem Maße in der heutigen Zeit und unserer ach so zivilisierten Gesellschaft abspielen könnte. Mag sein, dass Ninagawas Herangehensweise dem einen oder anderen Zuschauer als zu unkritisch erscheint, doch im Vergleich zu Die Geisha schlägt Sakuran – Wilde Kirschblüte die US-amerikanische Konkurrenz um Längen.

Man darf auf alle Fälle gespannt sein auf Mika Ninagawas nächsten Film, der Anfang, den sie hier macht, lässt jedenfalls viel Gutes erhoffen.

Sakuran - Wilde Kirschblüte

Japan in der Edo-Zeit, zu Beginn des 18. Jahrhunderts: Mit acht Jahren wurde Kiyoha (Anna Tsuchiya) an ein Bordell im Vergnügungsviertel der japanischen Hauptstadt verkauft, wo sie den Beruf einer Geisha erlernen soll.
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