Saint Laurent

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein Jahrhundertgenie in einer geschlossenen Welt

Der Mann muss wirklich eine Ikone in Frankreich sein, wenn binnen kurzer Zeit gleich zwei Spielfilme versuchen, sich dem Mythos des Modeschöpfers Yves Saint Laurent anzunähern. Nach Jalil Lesperts kreuzbravem Stationendrama macht sich mit Bertrand Bonello ein anerkannter Wilder des französischen Kinos (Der Pornograph) daran, dem Image des 2008 Verstorbenen etwas mehr Fleisch auf die mageren Knochen zu geben, als dies seinem Konkurrenten gelang. Zumindest teilweise ist das Bonello auch durchaus gelungen, sein Saint Laurent ist viel sinnlicher, assoziativer und freier geraten als Lesperts Werk. Gleichwohl steht eine völlig überzeugende filmische Umsetzung des Lebens des Königs der Haute Couture immer noch aus.
Einen wichtigen Anteil an dem größeren Sexappeal des Films hat Hauptdarsteller Gaspard Ulliel, der dem schüchternen, nervösen und immer jungenhaften Saint Laurent aus Lesperts Huldigung einen ungleich kraftvolleren und vor allem in seiner Ambivalenz glaubwürdigeren Künstlertypus entgegensetzt. Wobei man auch bei ihm die Kindhaftigkeit des Modemachers zu sehen bekommt — aber eben nicht nur und ausschließlich. Im Atelier, im alltäglichen Umgang mir den Angestellten, den Models, den Kunden ist dieser YSL eine echte Persönlichkeit. Und auch im privaten Bereich benötigt der scheue Mann zwar manchmal einige Hilfestellungen, wirkt aber auch hier ungleich souveräner, der Kreis von Vertrauten, Freunden, Geliebten, Bewunderern ist hier ungleich größer, wirkt wärmer, wodurch ein besserer Einblick ins soziale Umfeld des Porträtierten entsteht.

Der Blick Bonellos reicht aber ebenso wie der Lesperts nicht über diesen engeren Kreis hinaus: Über Saint Laurents Reaktionen auf die unruhigen Zeiten der 1968er Jahre oder mögliche Einflüsse aus diesen Tagen weiß der Film nicht sehr viel mehr zu berichten, als die Bilder von den Straßenschlachten in einem Split Screen mit den damals entstandenen Modellen aus den Kollektionen zu kontrastieren. Überhaupt erscheint die Welt, in der sich Yves Saint Laurent bewegt, als geschlossen und nahezu hermetisch — möglicherweise war ja genau das einer der Faktoren, der die Einsamkeit und das Gefühl der Verlorenheit noch verstärkte, das den Modeschöpfer Zeit seines Lebens so quälte. In den Nachtclubs, den Ateliers und Geschäftsräumen besteht für ihn kaum je eine Möglichkeit, den Namen und das eigene Image abzustreifen und einfach nur ein Mensch zu sein — die einzige Ausnahme bilden hier die Treffpunkte der schwulen Stricher in den Parks von Paris, die Saint Laurent gelegentlich frequentierte.

Interessanterweise beschränkt sich Bonello ebenso wie Lespert auf den nahezu gleichen Zeitraum: Hier wie dort endet die Geschichte, die im Mittelpunkt steht, Mitte der 1970er Jahre, als sich Saint Laurent und dessen Lebensgefährte und Geschäftspartner Pierre Bergé zumindest räumlich trennen und sich der Gesundheitszustand des genialischen Künstlers durch Medikamentenmissbrauch zunehmend verschlechtert. Zwar finden sich auch in Bonellos Saint Laurent einige kurze Impressionen aus dessen Vergangenheit sowie einige kurze Einblicke in die Zeit kurz vor seinem Tod wieder; diese wirken aber eher wie Assoziationen und Gedankenblitze und sind nicht so sehr mit psychologischer Bedeutung überfrachtet wie bei Lespert.

Saint Laurent

Der Mann muss wirklich eine Ikone in Frankreich sein, wenn binnen kurzer Zeit gleich zwei Spielfilme versuchen, sich dem Mythos des Modeschöpfers Yves Saint Laurent anzunähern. Nach Jalil Lesperts kreuzbravem Stationendrama macht sich mit Bertrand Bonello ein anerkannter Wilder des französischen Kinos („Der Pornograph“) daran, dem Image des 2008 Verstorbenen etwas mehr Fleisch auf die mageren Knochen zu geben, als dies seinem Konkurrenten gelang.
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