Road to Heaven

Eine Filmkritik von Jörg Gottschling

Alles andere als der Himmel

Dichte Straßen, durch die kein Durchkommen möglich ist: Ein Land versinkt im dichten Verkehrsaufkommen und jeder Fußgänger, der über die Straße will, riskiert sein Leben, indem er sich durch die dicht befahrenen Straßen schlängelt. In diesem urbanen Chaos wohnt Rajan fernab seiner Heimat.
Doch der Ruf seiner Eltern holt ihn ein. Der junge Student soll sich nach Monaten mal wieder zu Hause bei seiner Familie sehen lassen. So begibt er sich auf eine Reise quer durch Indien. Entlang einer alten Handelsstraße, der Grand Trunk Road, fährt er mit dem Auto von Kolkata nach Amritsar. Doch Amritsar ist nicht nur seine Heimat, sondern das religiöse Zentrum der Sikhs. So wird die Reise durch Indien zu einer Pilgerfahrt der etwas anderen Art. Denn Rajan gehört zu einer neuen, aufgeschlossenen und aufgeklärten Generation von Indern, die bewaffnet mit einem Notebook einen modernen Lebensstil in einem immer noch sehr konservativen Land leben.

Er hinterfragt die Politik, die Gesellschaft aber auch die Religion in seinem Land, sieht an jeder Station auf seiner Reise die Missstände und Schieflagen und ist alles andere als begeistert von den Entwicklungen, die Indien seit seiner Unabhängigkeit genommen hat: Zeltstädte, korrupte Politiker, bewaffnete Schergen, Gewalt gegen Frauen, Bettler, die sich ebenfalls auf einer nie enden wollenden Reise befinden und Mönche als Touristenattraktion für knipswütige Ostasiaten mit Schutzmaske vor dem Mund. Ist das wirklich der Weg in den Himmel?

Der Dokumentarfilm Road to Heaven stellt das Ende von Walter Größbauers Ach, Indien-Trilogie (Next Exit Nirvana; Indian Dreams) dar. Schon im Titel liegt eine gewisse Ironie verborgen. Gezeigt wird ein Land, das teilweise in Trümmern liegt und das geprägt ist von einem provisorischen Lebensstil. Der Himmel auf Erden ist dieses Land sicherlich nicht, doch an kaum einem anderen Ort der Erde spielt der Glaube wohl eine so große Rolle im Alltag.

Größbauer schafft es, eine interessante Kultur zu zeigen und gleichzeitig einen kritischen Unterton zu etablieren, ohne jedoch selbst direkte Kritik an den Lebensumständen und deren möglichen Ursachen zu äußern. Als neutraler Betrachter bleibt er versteckt im Hintergrund und erzählt echte Geschichten von echten Menschen. Diese sind jedoch nicht immer aussagekräftig genug und wirken manchmal fast beiläufig eingestreut, ohne kommentiert zu werden. Auf dieser Weise wirken sie seltsam unverbunden mit den anderen Teilen und dem gesamten dramaturgischen Gerüst. Warum wird gerade diese Geschichte erzählt? Warum ist gerade dieses Fest so bedeutend? Was wird da überhaupt gefeiert? Bis auf den gerade angefahrenen Ort erfährt der Zuschauer erstaunlich wenig über Sinn und Unsinn dieser Reise durch Indien. Der Zuschauer wird so immer wieder mit dem Problem konfrontiert, dass für ihn die indische Kultur zwar greifbar wird, jedoch nicht oder nur schwer begreifbar bleibt.

Road to Heaven verlangt dem Zuschauer einiges an Mühen ab, doch die Anstrengungen lohnen sich. Wenn es gelingt, sich dem Gezeigten zu öffnen, bietet der Film einen niemals beschönigenden, aber dafür stets ehrlichen Blick auf eines der bevölkerungsreichsten Länder und eine der ältesten Kulturen unserer Erde.

Road to Heaven

Dichte Straßen, durch die kein Durchkommen möglich ist: Ein Land versinkt im dichten Verkehrsaufkommen und jeder Fußgänger, der über die Straße will, riskiert sein Leben, indem er sich durch die dicht befahrenen Straßen schlängelt. In diesem urbanen Chaos wohnt Rajan fernab seiner Heimat.
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