Ringo

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Die Segnungen der Zivilisation

Eine geradezu legendäre, ausführliche Postkutschenfahrt mit illustren Passagieren zeichnet diesen Western-Klassiker des Genre-Meisters John Ford aus dem Jahre 1939 mit John Wayne als Ringo Kid in einer der Hauptrollen aus. Der Film, der ursprünglich unter dem deutschen Titel Höllenfahrt nach Santa Fé geführt wurde, fand 1995 Aufnahme in das National Film Registry der USA und gilt in mehreren Zusammenhängen als einer der besten Western beziehungsweise Filme überhaupt. Fünffach nominiert und letztlich in zwei Kategorien – für Thomas Mitchell als Besten Nebendarsteller und die Beste Musik – mit dem Academy Award prämiert sowie für John Ford als Besten Regisseur mit dem Filmpreis des New York Film Critics Circle ausgezeichnet reicht die Bedeutung von Ringo weit über die Genregrenzen hinaus. Haben sich seine geradlinigen Charaktertypen längst als stilbildend für den Western erwiesen, repräsentiert ihre Konstellation als Reisegesellschaft einen Querschnitt durch die urbane US-amerikanische Sozietät der 1880er Jahre, in denen die Handlung des Films angesiedelt ist.
Tonto, Arizona: Unter den Fahrgästen der Postkutsche nach Lordsburg befinden sich neben der Offiziersgemahlin Mrs. Mallory (Louise Platt), die ihren Mann bei seiner Einheit erreichen will, Sheriff Wilcox (George Bancroft), der auf der Suche nach dem flüchtigen Ringo Kid (John Wayne) ist, dem zaghaften Spirituosenvertreter Peacock (Donald Meek), dem zwielichtigen Bankier Gatewood (Berton Churchill) und dem passionierten Spieler Hatfield (John Carradine) auch der versoffene Arzt Dr. Boone (Thomas Mitchell), der gerade wegen Mietschulden seine Bleibe verlor, sowie die Prostituierte Alice (Claire Trevor), die von einer Horde selbst ernannter Sittenwächterinnen aus der Stadt vertrieben wurde. Unterwegs nimmt der urige Kutscher (Andy Devine) dann auf Geheiß des Sheriffs den am Wegesrand wartenden Ringo Kid mit, der gen New Mexico reisen will, um dort die Plummer-Brüder zu stellen, seine Unschuld zu beweisen und Rache an den üblen Gesellen zu nehmen, die seine Familie ermordeten. So nimmt die Fahrt ihren Lauf, und es sind nicht nur die angriffsfreudigen Apachen, die unterwegs für Spannungen sorgen werden…

Innerhalb einer von sozialen Ressentiments schwelenden Stimmung erlebt diese Reisegesellschaft sich anbahnende Freundschafts- und Liebesbanden, die Geburt eines Kindes, die Demaskierung vermeintlicher Anständigkeit sowie den Angriff der Apachen, und am Ende haben sich die Haltungen oder auch Lebenswege der Protagonisten erheblich verändert. In den filigranen wie deutlichen Zwischentönen besteht hier die Kunst, den Interaktionen der Charaktere in Extremsituationen eine abstrakte, über die konkrete Situation hinausragende, besondere Signifikanz zu verleihen, die es bei Zeiten vermag, die verborgenen Abgründe des menschlichen Strebens aufschlussreich zu fokussieren. Dabei bedient sich John Ford keineswegs einer raffinierten Psychologisierung von Motivationen, sondern verbleibt mit seinen durchaus stereotyp gestalteten Figuren auf einer ebenso schlichten wie bewegenden Basis. Auf diese Weise gelingt es ihm, grundlegende Aspekte einer Conditio humana so unvermittelt zu thematisieren wie letztlich in moralisch unverfänglichen Bahnen gezielt zu kanalisieren.

Als Held zahlreicher filmischer Kindheitserinnerungen sowie wohl auch -phantasien vorrangig kleiner Jungs erscheint John Wayne, für den seine Rolle in Ringo einen wichtigen Meilenstein seiner immens erfolgreichen Karriere darstellte, hier sowohl inhaltlich als auch stilistisch erfreulich frisch und liebenswürdig in seiner Positionierung für die sozial geächtete Randfigur der Prostituierten Alice, wie man ihn privat und beruflich (Der schwarze Falke / The Seachers) sicherlich nicht immer wahrnahm. Betrachtet man Ringo retrospektiv, trägt der Film eine ungeheure Fülle an Inspirationen in sich, gerade weil Außenseiter wie Ringo Kid, Alice, Dr. Boone und auch der sensible Peacock zu würdigen Sympathieträgern avancieren, was für das Western-Genre jener Tage absolut ungewöhnlich anmutet. Die deutsche Sychronisation gestaltet sich leider nicht immer glücklich getroffen, so dass dringend empfohlen sei, sich diesen Klassiker unbedingt auch im Original zu Gemüte zu führen, was vor allem der letzte Satz erfordert, der auf Englisch lautet: „Well, they’re saved from the blessings of civilisation“.

Ringo

Eine geradezu legendäre, ausführliche Postkutschenfahrt mit illustren Passagieren zeichnet diesen Western-Klassiker des Genre-Meisters John Ford aus dem Jahre 1939 mit John Wayne als Ringo Kid in einer der Hauptrollen aus. Der Film, der ursprünglich unter dem deutschen Titel Höllenfahrt nach Santa Fé geführt wurde, fand 1995 Aufnahme in das National Film Registry der USA und gilt in mehreren Zusammenhängen als einer der besten Western beziehungsweise Filme überhaupt.
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