Ricki - Wie Familie so ist

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Ricki, spiel noch'n Song

Meryl Streep ist gut im Geschäft. In den letzten fünf Jahren starteten sechs Filme mit ihr, sie war unter anderem Margareth Thatcher in Die eiserne Lady, eine tablettensüchtige Matriarchin in Im August in Osage County, eine Lady im Westen in The Homesman und eine Hexe in Into the woods. Alle Rollen spielte sie gut, aber routiniert gut, es war sehr viel Meryl Streep in ihnen, so dass sie auf gutem Weg war, mehr Meryl Streep als eine Figur auf der Leinwand zu sein. Doch ausgerechnet die Rolle einer abgehalfterten Rocksängerin in Ricki – Wie Familie so ist zeigt sie in Bestform.
Dabei bietet die Rolle eigentlich alles, was eine routinierte Performance von Meryl Streep braucht: Gesang, einige dramatische und komische Momente. Denn Ricki hat den Durchbruch als Rocksängerin nie geschafft. Deshalb spielt sie abends mit ihrer Band The Flash in einer Bar in Kalifornien und arbeitet tagsüber in einem Edel-Supermarkt an der Kasse. Sie ist müde und insolvent. Dann erhält sie einen Anruf von ihrem Ex-Mann Pete (Kevin Kline), dass ihre Tochter Julie (Mamie Gummer) von ihrem Ehemann verlassen wurde, nun am Boden zerstört sei und ihre Mutter brauche. Also macht sich Ricki zweifelnd auf den Weg nach Indianapolis in ihre Vergangenheit. Denn einst hat sie ihren Mann und ihre drei Kinder zurückgelassen, um ihren Traum als Rockmusikerin zu leben.

In Ricki – Wie Familie so ist stecken zahllose interessante Geschichten: Von einer Frau, die ihre Kinder verließ, um Rocksängerin zu sein und seither ein schlechtes Gewissen wegen dieser Entscheidung hat, das sich vor allem darin ausdrückt, dass sie glaubt, sie habe keine Liebe verdient. Von drei Kindern, die von ihrer Mutter zugunsten ihres Traums verlassen wurden. Von einem Ehemann, der seinen ersten Traum von einem Familienleben aufgeben musste und ihn erst mit seiner zweiten Frau Maureen (Audra McDonald) leben konnte. Von dieser zweiten Ehefrau, die eine Lücke mit allen Konsequenzen füllen musste und sich dessen sehr bewusst ist. Von gesellschaftlichen Erwartungen, die einem Mann Rickis Verhalten eher verziehen hätten – und von der rechtfertigenden Wirkung, die Erfolg gehabt hätte, der jedoch ausblieb. Doch diese Geschichten werden im Drehbuch von Diablo Cody allenfalls angerissen, vielmehr verharrt sie in der Erzählung von einer Frau, die unbeirrbar an ihrer Lebensvorstellung festhält. Dadurch steht Ricki allein im Mittelpunkt, jedoch vollzieht sie nur eine minimale Entwicklung in ihrem Gefühlsleben. Anstatt die vielen Facetten der Geschichte zu erkennen, werden in dem Film von Jonathan Demme (Der Manchurian Kandidat) immer wieder Rickis Auftritte und Songs in voller Länge gezeigt, die aber in der Regel nur am Rande die Handlung widerspiegeln. Hier wird der Rockmusik-Teil völlig an die Unterhaltung verschwendet, sogar ein nostalgisches Lebensgefühl wird nur in wenigen Szenen geweckt – und in der Line-Dance-Schlussnummer verrät der Film dann sogar noch seinen Glauben an die Zeit der 1960er bis 1980er Jahre, von der so gerne gesagt wird, dass damals Musik noch etwas bedeutet habe.

Dadurch verweigert sich Rickie – Wie Familie so ist ernsthaften Tönen und jeglichem Realismus, sondern setzt bis an die Grenzen der Glaubwürdigkeit auf pure Unterhaltung und Leichtigkeit. Dabei böte auch die Hauptfigur ausreichend Reibungsfläche: Ricki lehnt Obama ab, hängt konservativen Überzeugungen an und hat keine Schwierigkeiten damit, die rebellische Rockmusik mit ihren Meinungen in Einklang zu bringen. Deshalb unterscheidet sie sich nicht nur rein äußerlich – hier steckt sie irgendwo zwischen Bo Derek und Chrissie Hynde – von ihrer Familie in Indianapolis, sondern auch in ihren Überzeugungen. Aber diese Schwierigkeiten werden nur angedeutet und zu Gags genutzt. Auch der Konflikt zwischen ihr und Maureen, der Frau, die letztlich die Mutter von Rickis Kinder ist, wird in wenigen Minuten abgehandelt – vermutlich weil die vielen Songs zu viel Zeit erfordert haben. Dabei hätten zwei so gute Schauspielerinnen wie Meryl Streep und Audra McDonald mehr gemeinsame Zeit verdient gehabt. Denn es ist die Besetzung, die Ricki – Wie Familie so ist unterhaltsam werden lässt: Meryl Streep verschwindet in einigen Szenen völlig hinter Ricki, Kevin Kline umgibt als verlassener und nun glücklich wiederverheirateter Ehemann etwas Tragikomisches, Mamie Gummer – im wahren Leben die Tochter von Meryl Streep – überzeugt als deren Filmtochter.

Deshalb ist Ricki – Wie Familie so ist letztlich leichte Unterhaltung mit viel Gesang und einer guten Hauptdarstellerin. Doch aus vorhergehenden Filmen wie Juno – ebenfalls nach einem Drehbuch von Diablo Cody – und Rachels Hochzeit – Regie: Jonathan Demme – weiß man auch, dass bei dieser Zusammenarbeit und mit dieser Besetzung einfach mehr als das möglich gewesen wäre.

Ricki - Wie Familie so ist

Meryl Streep ist gut im Geschäft. In den letzten fünf Jahren starteten sechs Filme mit ihr, sie war unter anderem Margareth Thatcher in „Die eiserne Lady“, eine tablettensüchtige Matriarchin in „Im August in Osage County“, eine Lady im Westen in „The Homesman“ und eine Hexe in „Into the woods“.
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