Revolution of Sound.Tangerine Dream

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Sternenmusik

Eigentlich war ein Dokumentarfilm über Tangerine Dream längst überfällig, denn sie waren neben Kraftwerk die Pioniere der elektronischen Musik in Deutschland, wobei der Stil der Formation rund um den Mastermind Edgar Froese eher in Richtung Ambient tendierte, während Kraftwerk vor allem als Wegbereiter des Techno gilt. In ihrem Dokumentarfilm Tangerine Dream — Revolution of Sound zeichnet die Regisseurin Margarete Kreuzer die Karriere der Band akkurat nach. Der Film versteht es indes aber selten, so abzuheben, wie dies Tangerine Dream stets unternahmen.
Schon die ersten Bilder geben Auskunft darüber, welche freakigen Klangbastler hier am Werke waren: Mit Elektroden auf der Haut und einem umfunktionierten Motorradhelm läuft Edgar Froese irgendwann in den 1970er Jahren durch eine Wüstenlandschaft, die sich schließlich als Strand herausstellt. Dabei sieht er fast ein wenig wie ein Wesen von einem anderen Stern aus, wäre da nicht die charakteristische hellblonde Mähne sowie der gewaltige Schnauzbart, den selbst der mit Mikrofonen ausgestattete Helm nicht verdecken kann. Die Erläuterungen, die er dabei über das Klangfindungsverfahren gibt, sind für Laien nicht unbedingt sofort nachvollziehbar, sie vermitteln aber einen Eindruck davon, dass es Froese nie allein um den Klang selbst geht, sondern auch um dessen Verbindung zum Kosmos.

Die sphärischen Sounds, die Froese und seine wechselnden Mitstreiter mit dem Moog-Synthesizer und anderen elektronischen Instrumenten — damals noch in den Kinderschuhen des gerade erst dämmernden Computerzeitalters — erzeugten, sind für Zuhörer, die mit den Werken von Tangerine Dream nicht so vertraut sind, auch ohne Froeses Erläuterungen als Musik mit fast schon außerweltlicher Qualität und Klangfarbe identifizierbar. Sie erinnern an Sun Ras Outer Space-Exkursionen, an die entrückten Weltall-Klänge eines Jean-Michel Jarre und tragen Titel wie „Alpha Centauri“ (1971), „Zeit“ (1972), „Atem“ (1973) oder später dann „Ambient Monkeys“ (1997). Schon diese Titel machen klar, dass es Froese niemals um einen Anschluss an den popmusikalischen Zeitgeist ging, sondern vielmehr darum, etwas darüber Hinausweisendes von außerzeitlicher Gültigkeit zu erschaffen.

Auch wenn die Band heute nach dem Tod ihres Erfinders und genialischen Leiters Edgar Froese weitermacht – von Anfang an lässt der Film keinen Zweifel daran, dass Edgar Froese derjenige ist, um den sich alles hier dreht: Es ist sein Erfindungsreichtum, seine Neugier, seine unermüdliche Suche nach neuen Sounds und seine Kontinuität, die aus Tangerine Dream mit den ständig wechselnden Besetzungen eine über viele Jahre und Jahrzehnte organisch gewachsene Einheit gemacht haben. Seine musikalische Entwicklung von der Beat-Musik der früheren 1960er Jahre über die Prog-Rock-Phase der Formation und deren Hinwendung zu Ambient und New Age bis hinzu zu seinen Arbeiten für Filme und Games liest sich dabei wie die Chronologie der Entwicklung eines Seitenarms der Popmusikgeschichte und macht diese sinnlich erfahr- und nachvollziehbar.

Tangerine Dream — Revolution of Sound ist chronologisch angelegt und basiert auf ausführlichen Gesprächen, die Margarete Kreuzer seit 2013 mit Froese und dessen Ehefrau Bianca Froese-Acquaye sowie anderen Wegbereitern führte (unter ihnen Brian May, Edgars Sohn und Mitmusiker Jerome und der französische Soundtüftler Jean-Michel Jarre). Kommentiert werden die Archivaufnahmen von Texten, die offensichtlich aus der geplanten Autobiographie Froeses stammen, eingesprochen werden sie nicht von dem 2015 verstorbenen Musiker, sondern von dessen Kollegen und Freund Alexander Hacke (Einstürzende Neubauten). Der erweist sich zwar als sympathischer und versierter Erzähler, doch manchmal hätte man sich mehr Esprit und eine stärkere Phrasierung gewünscht, die die streng chronologische und mit einem konventionellen Wechsel aus Gesprächspassagen und Archivmaterial montierte Narration ein wenig mehr gebrochen hätte.


Dennoch ist Tangerine Dream — Revolution of Sound eine zwar konventionell gestaltete, aber durchaus informativ und verständliche Heranführung an einen Musiker und sein Werk, das mehr Beachtung verdient hat.

Revolution of Sound.Tangerine Dream

Eigentlich war ein Dokumentarfilm über Tangerine Dream längst überfällig, denn sie waren neben Kraftwerk die Pioniere der elektronischen Musik in Deutschland, wobei der Stil der Formation rund um den Mastermind Edgar Froese eher in Richtung Ambient tendierte, während Kraftwerk vor allem als Wegbereiter des Techno gilt. In ihrem Dokumentarfilm „Tangerine Dream — Revolution of Sound“ zeichnet die Regisseurin Margarete Kreuzer die Karriere der Band akkurat nach.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen