Revivre

Eine Filmkritik von Ulf Lepelmeier

Zwischen Todeskampf und Lebenslust

Basierend auf der preisgekrönten Kurzgeschichte Hwajang des Schriftstellers Kim Hoon fängt der koreanische Regiealtmeister Im Kwon-Taek (Sopyonje — Die blinde Sängerin, Chihwaseon – Im Rausch der Farben und der Liebe) mit seinem Drama Revivre die zwiegespaltene Gefühlswelt eines älteren Geschäftsmannes ein, der für seine jüngere Mitarbeiterin schwärmt, während er sich aufopferungsvoll um seine todkranke Frau kümmert. Dabei kündet der doppeldeutige koreanische Originaltitel Hwajang, der sowohl als Feuerbestattung als auch als Make-up übersetzt werden kann, bereits von der Zerrissenheit des in einem Kosmetikunternehmen arbeitenden Protagonisten, dem die tragische Situation seiner Ehefrau beständig den nahenden Tod und das Alter vor Augen führt, während das Verlangen nach neuem Lebensmut immer wieder in ihm aufflackert, um darauffolgend von seinem Gewissen wieder eingedämmt zu werden.
Mit den Bildern einer schwarz gewandeten Trauergesellschaft, die in einer unwirklich karg-weißen Gebirgslandschaft einem weißen Sarg folgt, leitet Im Kwon-Taek seinen Spielfilm ein. Doch eine Frau ist in dieser feierlichen Gemeinschaft augenscheinlich fehl am Platz und fällt mit ihrem roten Mantel als personifizierte Versuchung sofort ins Auge. Ein schrill-alarmierendes Geräusch bereitet der Traumvision des erfolgreichen Managers Oh Sang-Moo (Ahn Sung-Ki) jedoch ein jähes Ende: Der lang anhaltende Ton, welchen die Lebenserhaltungsmaschine abgibt, kündet von dem Ableben seiner schon lange gegen den Krebs ankämpfenden Frau Jin-Kyung (Kim Ho-Jung). Nach der Benachrichtigung der am Telefon aufschluchzenden gemeinsamen Tochter springt der Film zum Tag der Diagnose des todbringenden Hirntumors zurück.

Etwa zur gleichen Zeit beginnt die junge Choo Eun-Joo (Kim Gyu-Ri) auch ihren neuen Job als Marketingmitarbeiterin im Kosmetikunternehmen Adelaide und tritt damit in das Leben von Marketingdirektor Sang-Moo, der sich von der schönen, intelligenten Frau sofort angezogen fühlt. Doch auch wenn Sang-Moo von der Möglichkeit einer Beziehung zu seiner Mitarbeiterin fantasiert, verbietet er sich jedwede Ausnutzung seiner Machtposition und kümmert sich stattdessen aufopferungsvoll um seine beständig gesundheitlich abbauende Ehefrau. Während er tagsüber im Büro an neuen Vermarktungsstrategien arbeitet, verbringt er die Nächte bei Jin-Kyung im Krankenhaus und besteht darauf, auch die pflegerischen Aufgaben in dieser Zeit selbst zu übernehmen.

Die Krankheit und die mit ihr einhergehenden Probleme, die Stimmungsschwankungen, Schmerzen oder auch peinlichen Momente der Hilflosigkeit fängt Im Kwon-Taek schmerzhaft realistisch ein und erreicht dadurch bei der Schilderung der Ohnmacht der Angehörigen eines mit dem Tode ringenden Menschen die nötige Authentizität. Durch depressive Schübe erweist Jin-Kyung sich als eine schwierige Patientin, die ihrem Hund um einiges liebevoller begegnet, als ihrem bemühten Mann. Dabei scheint das selbstlose Handeln des Mittfünfzigers, so wie es auch seine Tochter vermutet, nicht auf bedingungsloser Liebe, sondern mehr auf Dankbarkeit und einem Gefühl der Anerkennung gegenüber seiner Frau zu fußen. War sie es doch, welche ihn immer in seinen beruflichen Ambitionen unterstützte und dadurch beständig selbst zurückstecken musste.

Das Drama um einen Mann zwischen Lebensende und neuem Lebensmut, das leicht zu einer Altherrenfantasie oder zu einem Rührstück hätte verkommen können, inszeniert Im Kwon-Taek mit dem nötigen respektvollen Understatement, so dass Revivre sich zu einer gelungenen Auseinandersetzung mit Verlangen im Alter und dem Umgang mit dem nahenden Tod entwickelt. Der Protagonist wird dabei weder zum unverantwortlichen Lüstling der seine Frau im Stich lässt noch zum Märtyrer, der sich von Anfang an nicht auf die hübsche neue Mitarbeiterin einlassen will.

Unsentimental und subtil lässt Im Kwon-Taek dabei die Leidensgeschichte von Sang-Moos Ehefrau und die neu aufkeimenden Frühlingsgefühle ihres Mannes zu seiner Kollegin unchronologisch nebeneinander herlaufen. Kontrastierend zu den im Realismus verhafteten Krankenhaussequenzen, in denen Kim Ho-Jung auf herzzerreißende Weise die schmerzgezeichnete Jin-Kyung verkörpert, weisen die Episoden um die von ihrem Mann verehrte Choo Eun-Joo oftmals einen entrückten Tagtraumcharakter auf. Dabei zeichnet der bereits zum siebten Mal für den Regisseur vor der Kamera stehende Ahn Sung-Ki (Chihwaseon – Im Rausch der Farben und der Liebe, Festival) mit seiner ruhigen Darstellung ein überaus stimmiges Psychogramm eines zerrissenen Mannes.

In seinem sage und schreibe 102. Spielfilm unterstreicht Regisseur Im Kwon-Taek, als einer der zentralen Wegbereiter des koreanischen Kinos, ein weiteres Mal sein Können. So erzählt Revivre gefühlvoll und zugleich unpathetisch vom menschlichen Lebensdrang und dem unausweichlichen Sterben.

Revivre

Basierend auf der preisgekrönten Kurzgeschichte „Hwajang“ des Schriftstellers Kim Hoon fängt der koreanische Regiealtmeister Im Kwon-Taek („Sopyonje — Die blinde Sängerin“, „Chihwaseon – Im Rausch der Farben und der Liebe“) mit seinem Drama „Revivre“ die zwiegespaltene Gefühlswelt eines älteren Geschäftsmannes ein, der für seine jüngere Mitarbeiterin schwärmt, während er sich aufopferungsvoll um seine todkranke Frau kümmert.
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