Return of the Atom

Eine Filmkritik von Falk Straub

Einzelkämpfer im hohen Norden

Während hierzulande alle von der Energiewende reden, wird in Finnland ein neuer Kernreaktor gebaut – der erste innerhalb Europas seit der Katastrophe von Tschernobyl. Mika Taanila hat mit seinem Koregisseur Jussi Eerola das Projekt über mehrere Jahre begleitet und in seinem Dokumentarfilm Return of the Atom Erfolge und Rückschläge, Befürworter und Gegner festgehalten.
Das kleine Eurajoki bezeichnet sich selbstbewusst als „elektrischste Stadt“ Finnlands. Zwei der vier finnischen Kernreaktoren stehen hier, genauer gesagt auf der zur Gemeinde gehörenden Ostseeinsel Olkiluoto. Ein Fünftel des landesweiten Strombedarfs wird dort produziert. Gegner der umstrittenen Technik finden sich kaum, schließlich ist die Betreiberfirma des Atomkraftwerks der größte Arbeitgeber, der sich auch im heimischen Vereinsleben großzügig zeigt. Vielleicht liegt der kaum wahrnehmbare Widerstand aber auch an der Mentalität. „Die Menschen hier sind für ihre zurückhaltende Art bekannt“, erklärt die Reiseleiterin den polnischen Arbeitern, als sie zum Baubeginn des dritten Reaktors zu beschwingten Klavier-, Streicher- und Flötentönen im Bus ins beschauliche Städtchen schaukeln.

Während die Bauherren des französisch-deutschen Konsortiums und die finnischen Betreiber des kommenden Meilers eine rosige Zukunft voll sicherer Energie, lukrativer Arbeitsplätze und blühender Natur an die Wand malen, kämpfen die Gegner vereinzelt. Ritva Junkkari setzte sich bereits gegen die ersten beiden Reaktoren zur Wehr, zog aber schließlich aus Eurajoki weg, als ihr die Beschimpfungen und offenen Drohungen zu viel wurden. Arto Lauri, ein seit acht Jahren beurlaubter Elektriker des Kraftwerks, ist bis heute ebenso unermüdlich wie unnachgiebig. Wie aussichtslos seine Chancen auch sein mögen, lässt er keine Gemeinderatssitzung aus, um die Verantwortlichen mit seinen unangenehmen Nachfragen zu torpedieren. Um Lauris Widerstand herum haben Mika Taanila und Jussi Eerola ihren Dokumentarfilm gebaut, zeigen die polnischen Arbeiter oder andere Einheimische nur noch vereinzelt, und torpedieren damit ihren eigenen Film. Denn die Argumente ihres Protagonisten zeigen teils verschwörungstheoretische Züge und machen ihn dadurch ebenso unglaubwürdig wie die Schönrederei der Industriebosse.

Auf welcher Seite die Sympathien der Filmemacher liegen, machen diese schon durch die Wahl ihrer Mittel klar. Wiederholt setzen sie Archivaufnahmen ein, um Aussagen der Kraftwerksbefürworter ironisch zu kommentieren. Das erinnert ein wenig an Michael Moore, ist allerdings weit von dessen spielerischer Versiertheit entfernt. Wer dieses Augenzwinkern nicht begreift, für den erledigt die Musik des finnischen Elektroprojekts Pan Sonic den Rest, wenn sie Naturaufnahmen mit wohlklingenden, den Bau des Kraftwerks hingegen mit enervierendem, metallischem Lärm unterlegt.

Belegbare Fakten liefert Return of the Atom viel zu wenig. Dass Atomkraft keine saubere Energie ist, wie dies manche Befürworter steif und fest behaupten, dürfte jedem Zuschauer klar sein. Doch wie viele von Lauris Aussagen stimmen, wie viele sind bloße Spekulation oder gar Erfindungen? Gab es unter den Arbeitern in Eurajoki tatsächlich eine überdurchschnittliche Anzahl von Leukämieerkrankungen? Wie rentabel ist das Geschäft mit der Atomkraft tatsächlich für die Stadt? Und wie glaubwürdig ist ein „Kronzeuge“ der Anti-Atomkraft-Bewegung eigentlich, der offen zugibt, keine schriftlichen Beweise, sondern lediglich unzählige mündliche, ungenannte Quellen zu haben? Anstatt hier Belege zu liefern, Statistiken zu durchforsten oder unabhängige Stimmen einzuholen, stellen Mika Taanila und Jussi Eerola lediglich Aussage gegen Aussage, von denen das Publikum am Ende weder der einen noch der anderen mehr so recht glaubt und mit derselben Meinung zur Thematik aus dem Kinosaal geht, mit der es ihn betreten hat.

Return of the Atom

Während hierzulande alle von der Energiewende reden, wird in Finnland ein neuer Kernreaktor gebaut – der erste innerhalb Europas seit der Katastrophe von Tschernobyl. Mika Taanila hat mit seinem Koregisseur Jussi Eerola das Projekt über mehrere Jahre begleitet und in seinem Dokumentarfilm „Return of the Atom“ Erfolge und Rückschläge, Befürworter und Gegner festgehalten.
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