Reich des Bösen – Fünf Leben im Iran

Eine Filmkritik von Red.

Alltagsleben in Teheran

Seit der islamischen Revolution im Jahre 1979 gilt der Iran für die USA als eines der Reiche des Bösen. Zumindest in der Diktion mancher politischer Hardliner, die in den letzten Jahren das Weltgeschehen prägten. Die Giftpfeile, die in den letzten Jahren zwischen dem amerikanischen Präsidenten George W. Bush und dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad hin und her gesandt wurden, haben das Verhältnis des Westens zum Iran nicht gerade verbessert. Zwar kündigt sich mit dem Machtwechsel in Washington auch eine Verbesserung der bilateralen Beziehungen an, doch noch immer ist das Bild des Iran in unseren Köpfen vor allem von Propagandagetöse, Klischees und Provokationen beherrscht, die den Blick darauf verstellen, wie das ganz normale Leben in Teheran und anderswo im Land eigentlich wirklich aussieht. Dabei ist gerade das Kino dazu prädestiniert, den Brückenschlag zu wagen und die Grenzen in den Köpfen zu überwinden, indem es Barrieren niederreißt und das ganz normale Leben im ideologischen „Feindesland“ zeigt. In den letzten beiden Jahren waren dies zwei Filme, die neue Einblicke in den Iran zeigten: Marjane Satrapis auch im Kino gelaufene und hoch gelobte Comic-Autobiographie Persepolis und Majid Majidis Berlinale 2008-Wettbewerbsbeitrag Avaze Gonjeshk-ha / The Song Of Sparrows. Filme wie diese sind dringend benötigte erste Schritte, um die alten Feindbilder verschwinden zu lassen.
Nicht fiktiv, sondern dokumentarisch nähert sich der in Hamburg lebende iranische Filmemacher Mohammad Farokhmanesh an seine Heimat an und zeigt anhand von fünf Lebensläufen, mit welchen Schwierigkeiten ganz normale Iraner im Alltag zu kämpfen haben und wie sie selbst ihr Land sehen. Und das Bild, das sich durch diesen Film ergibt, ist keineswegs so homogen, wie das von außen den Anschein hat. Und trotz des Hinweises, dass der Filmemacher bei den Dreharbeiten selbstverständlich den strengen Zensurmaßnahmen der Islamischen Republik Folge leisten musste, dass ständig aufs Neue Drehgenehmigungen eingeholt werden mussten und die Suche nach auskunftswilligen Akteuren sechs Monate dauerte, erstaunt die Offenheit der Porträtierten. Da ist beispielsweise die Fechterin und Studentin Setayesh, die mit den ganz normalen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, von denen alle Sportler im Iran berichten können. Natürlich müssen sich die Frauen beim Training anständig kleiden und leiden deshalb unter der eingeschränkten Bewegungsfreiheit, die ein normales Training unter Wettkampfbedingungen kaum zulässt. Dabei, so die Fechterin weiter, sei man beim Fechten doch sowieso schon nahezu komplett verhüllt. Den gestrengen Sittenwächtern reicht das aber noch nicht aus, Kopftuch und Mantel sind auch in der Sporthalle nicht wegzudenken. Kein Wunder also, dass Setayesh und ihr Mann von einer Zukunft in den USA träumen – ein Land, das übrigens bislang auch in der Wahrnehmung der iranischen Führung ein Reich des Bösen war. Schwierigkeiten ähnlicher Art kennt auch Mahtab, deren sehnlichster Wunsch es ist, Sängerin zu werden. Doch das islamische Gesetz verbietet es Sängerinnen, alleine in der Öffentlichkeit aufzutreten.

Die von Farokhmanesh ausgewählten Männer hingegen scheinen sich in der Islamischen Republik Iran sichtlich wohl zu fühlen. Und das dürfte durchaus symptomatisch sein für eine Gesellschaft, in der zwischen der Lebensgestaltung der Männer und den Möglichkeiten der Frauen Welten liegen. Der Computer-Fachmann Abbas beispielsweise ist Mitglied der pro-islamischen Basiji-Miliz und lebt aus finanziellen Gründen noch zuhause. Auch der zweite Mann im Film, der Sprachlehrer Meidani ist ein glühender Anhänger der Ayatollahs, er ist Imam einer schiitischen Gemeinde und preist die massiven Einschränkungen der persönlichen Freiheit sogar als überlebenswichtig für eine friedliche Gemeinschaft. Und schließlich ist da noch die siebenjährige Golsa, die stellvertretend für die nachwachsende Generation junger Iraner steht, für ihre Träume, Wünsche und Hoffnungen. Wohin ihr Weg und der weitere Kurs der iranischen Gesellschaft führen werden – darauf weiß auch der Film keine Antwort. Er ist vielmehr eine Bestandsaufnahme des Hier und Jetzt im Iran und zeigt die ganz normale Realität im Gottesstaat, die alle Facetten zwischen Anpassung und (leisem) Widerstand umfasst.

Reich des Bösen – Fünf Leben im Iran

Seit der islamischen Revolution im Jahre 1979 gilt der Iran für die USA als eines der Reiche des Bösen. Zumindest in der Diktion mancher politischer Hardliner, die in den letzten Jahren das Weltgeschehen prägten.
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