Red State

Eine Filmkritik von Carolyn Höfchen

Feldzug gegen religiöse Fundamentalisten

Gott hasst Homosexuelle. Das ist die Überzeugung einer fanatischen christlichen Sekte, mit der wir gleich zu Beginn des Films konfrontiert werden. Wie schon in seinem Skandalfilm Dogma gibt sich der nach eigener Auskunft durchaus gläubige Independent-Regisseur Kevin Smith auch in seinem neuen Film Red State religionskritisch. Hier jedoch geht er weiter, Red State ist sehr viel realitätsbezogener als Dogma. Religiöser Fundamentalismus ist für Smith einer der Abgründe der amerikanischen Gesellschaft. Dieser Extremismus wird in Red State mit scharfer Kritik am Regierungs- und Polizeiapparat verwoben. Obwohl von Smith selbst als Horrorfilm bezeichnet, ist Red State viel mehr eine krude Mischung aus Horror- und Actionfilm, gespickt mit komödiantischen und satirischen Zügen. Vor allem aber ist er ein absolut politischer Film.
Der Inhalt ist schnell erzählt: Drei Jugendliche antworten auf eine Pornoanzeige im Internet. Bei ihrer Spritztour zu der Prostituierten werden sie von einer religiösen Sekte gekidnappt, es beginnt ein Horrortrip. Die Drei landen im Gebetshaus der Fundamentalisten. Es liegt mitten im Wald, abgeschieden von der benachbarten Kleinstadt. Dass die Glaubensgemeinschaft Jagd auf Homosexuelle macht, wird schnell klar, ihre grausamen und blutrünstigen Rituale lassen nicht lange auf sich warten. Alle Anhänger lauschen mit einem seligen Lächeln der Andacht ihres Pastors Abin Cooper, sie scheinen wie benommen.

Dieser, verkörpert von Michael Parks, zieht sie mit minutenlangen Monologen, Gesängen und beruhigendem Klavierspiel in seinen Bann – Männer, Frauen und Kinder. Die Figur des Abin Cooper ist klar an Fred Phelps orientiert, ein ultrakonservativer Baptist aus Kansas, bekannt für homophobe und rassistische Äußerungen. Cooper geht jedoch noch weiter, für ihn sind Folter und Mord ganz natürliche Mittel in seinem Kampf gegen Homosexuelle. Ein riesiges Waffenlager im Keller lässt den Zuschauer erahnen, zu welchen Taten er fähig ist, um sein krudes Weltbild in die Tat umzusetzen.

Hilfe scheint fern inmitten dieser Fanatiker, aber das Blatt wendet sich, als ein Polizist auf der Suche nach einem flüchtigen Unfallverursacher das Anwesen aufsucht. Plötzlich ändert der Film völlig seine Richtung, aus einem Psychothriller und Horrorstreifen wird nun ein knallharter Actionfilm inklusive wilder Schießereien. Die Mitglieder der Sekte verteidigen ihre Glaubensburg, Spezialeinheiten der Bundespolizei FBI schießen auf alles, was sich bewegt –da kann dann auch mal schnell eine Geisel ins Kreuzfeuer geraten…

Diese willkürliche Schießerei wirft bei einigen der Polizisten Fragen auf. Dürfen sie einfach eine Geisel erschießen, auch wenn diese bewaffnet war? Dürfen sie auf das Haus feuern, auch wenn sich Frauen und Kinder darin befinden? Ihnen bleibt nicht viel Zeit, diese Fragen zu vertiefen, denn die Order von oben lautet: alle müssten getötet werden, weil jeder einzelne von ihnen ein Terrorist sei. Es dürfe unter keinen Umständen Zeugen geben. Sonst könnte die Öffentlichkeit erfahren, wie niedrig die Hemmschwelle der Behördenvertreter ist, ihre Waffen einzusetzen. Das Ende des Films wartet dann mit einer überraschenden Schlusssequenz auf, mit der man absolut nicht gerechnet hätte.

Mit Red State vollzieht Kevin Smith einen radikalen Stilwechsel. Nachdem seine letzten Filme weniger erfolgreich waren, ist der Regisseur, hauptsächlich bekannt durch seine „New-Jersey-Filme“ (Clerks, Mallrats, Chasing Amy, Dogma, Jay und Silent Bon schlagen zurück sowie Clerks 2), nun zurückgekehrt mit einem deutlichen Statement gegen jeglichen religiösen Extremismus und amerikanische Behörden und Regierungen. Smith nimmt deutlich Bezug auf die Waco-Belagerung 1993, die in den Köpfen der Amerikaner nach wie vor Zweifel an Kompetenz und Vorgehen von Polizei und politischer Führung ausgelöst hat. Damals belagerte die Bundespolizei mehr als sieben Wochen lang den Hauptsitz einer Sekte im texanischen Waco. Bei dem anschließenden Sturm auf das Gebäude, das in Feuer aufging, starben sowohl Polizisten als auch Mitglieder der Fundamentalisten –insgesamt kamen 86 Menschen ums Leben. Im Anschluss an die Ereignisse versuchte die Regierung, den Polizeieinsatz zu rechtfertigen. Bis heute wirft dieser Massentod von Waco die Frage auf, inwieweit sich die Regierung in religiöse Angelegenheiten einmischen darf.

Dieser politische Hintergrund des Films zeigt sich auch im Titel. In den Vereinigten Staaten sind die Wähler der „Red States“, also der roten Staaten, hauptsächlich den konservativen Republikanern zugeneigt. Die „Blue States“, blaue Staaten, sind Hoheitsgebiete der Demokraten. So verhält sich die farbliche Darstellung der Parteien, die so erst seit dem Jahr 2000 Einzug in die amerikanische Berichterstattung gefunden hat, genau umgekehrt zu den meisten anderen internationalen Staaten, in denen rot den linken und blau den rechten Flügel bedeutet. In einem „Red State“ also, so die nicht ganz von der Hand zu weisende These, die durch den Blick auf die US-amerikanischen Realitäten bestätigt wird, finden Fanatiker und unverbesserliche Erzkonservative mit verschobenem Weltbild großen Zulauf, nicht zuletzt auch durch die in den letzten Jahren erstarkte populistische Tea-Party-Bewegung.

Laut Kevin Smith dauerte der Dreh von Red State gerade einmal 25 Tage, realisiert wurde der Film mit einem vergleichsweise lächerlichen Budget von vier Millionen Dollar – im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist das beinahe schon eine Low-Budget-Produktion. Um den Film zu bewerben und zu vermarkten, reiste Smith selbstständig mit einer Promotion-Tour durch die USA, ohne ein großes Studio im Rücken zu haben. Der Skandal und die Proteste, die Red State bei seiner Uraufführung beim Sundance Film Festival 2011 auslöste, haben den Film zusätzlich ins Gespräch gebracht.

Beim Festival von Sundance wurde der Film von der Kritik eher gemischt aufgenommen. Der Vorwurf: es fehle Red State an Struktur, zudem gäbe es Probleme mit dem Rhythmus und zuletzt sei die Story merkwürdig unfertig. Tatsächlich bricht der zweite Teil des Films völlig mit dem ersten und Abin Coopers Monologe erfordern mehr als einmal die Geduld des Zuschauers, der eigentlich einen ganz anderen Film erwartet hätte. Aber dennoch verbirgt der als Horrorstreifen getarnte politische Film mit seiner Religions- und Sozialkritik reichlich Stoff zum Nachdenken über die Rolle der Politik in Religionsfragen einerseits und die Rolle von religiösen Sekten in den USA andererseits. Wer sich also die Zeit nimmt, den Film nicht einfach als Action-Horror-Movie abzutun, sondern ein wenig tiefer gräbt, wird feststellen, dass Red State mehr zu bieten hat, als er auf den ersten Blick verspricht.

Red State

Gott hasst Homosexuelle. Das ist die Überzeugung einer fanatischen christlichen Sekte, mit der wir gleich zu Beginn des Films konfrontiert werden. Wie schon in seinem Skandalfilm „Dogma“ gibt sich der nach eigener Auskunft durchaus gläubige Independent-Regisseur Kevin Smith auch in seinem neuen Film „Red State“ religionskritisch.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen