Red Dust – Die Wahrheit führt in die Freiheit

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Montag, 20. Juli 2015, WDR, 23:30 Uhr

„Truth and Reconciliation Commission“ – kurz TRC – lautete der Name jenes Gremiums, das 1996 vom damaligen Staatspräsidenten Nelson Mandela in Südafrika eingesetzt wurde, um sich mit den unzähligen Menschenrechtsverletzungen auseinanderzusetzen und diese zu dokumentieren, die während der abscheulichen Ära der Apartheid geschehen sind.
Eingeteilt in drei Komitees beschäftigte sich diese zunächst auf lediglich achtzehn Monate angelegte Kommission mit der Aufklärung der bis zu Folter und Mord reichenden Taten, mit der Entschädigung der Opfer sowie mit der Einrichtung einer Amnestie für die Täter – sofern diese bereit waren, ihre Täterschaft wahrheitsgemäß einzugestehen, wurde ihnen Straffreiheit in Aussicht gestellt. Trotz der Verlängerung um ein zusätzliches halbes Jahr überforderte die Fülle an Verbrechen und die moralische Unauslotbarkeit dieses Terrains bei Weitem die Arbeit der Komitees, so dass eine Traumabewältigung für die Menschen Südafrikas bis heute eine äußerst schwierige, schmerzhafte Aufgabe bleibt.

Diesem komplexen, immens bedeutsamen und weithin marginalisierten Thema voll schwelender Ambivalenz, das natürlich zuvorderst in Südafrika selbst damals und darüber hinaus heftig kontrovers diskutiert wurde und wird, widmet sich der Spielfilm Red Dust – Die Wahrheit führt in die Freiheit, dessen deutscher Zusatztitel einerseits provokativ zugespitzt erscheint, andererseits jedoch die authentische Ernsthaftigkeit dieser moralischen Materie allzu sehr spektakularisiert. Ungeachtet dessen hat der britische Regisseur Tom Hooper, auf dessen letzten beiden Filme The King’s Speech (2010) und Les Misérables (2012) ein wahrer Regen von Oscar Nominierungen und Auszeichnungen sowie etlichen weiteren internationalen Filmpreisen niederging, mit seinem Spielfilmdebüt von 2004 einen gleichermaßen mutigen wie kraftvollen Politthriller inszeniert, der sich auf vielschichtige Weise mit der Vergangenheit Südafrikas und den brisanten Fragestellungen um die Wahrheits- und Versöhnungkommission und ihre Auswirkungen beschäftigt.

Die Chance, für seine bislang ungesühnten Vergehen gegen die Menschenrechte während des Apartheid-Regimes nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt zu werden, sondern eine Amnestie gewährt zu bekommen, will der Kleinstadt-Polizist Dirk Hendricks (Jamie Bartlett) unbedingt nutzen, und so wendet er sich an das TRC, um seine Verbrechen zu bekennen, die er gemeinsam mit seinem einstigen Chef Captain Piet Muller (Ian Roberts) verübt hat. Doch so reibungslos, wie Hendricks sich diese „Abwicklung“ offensichtlich wünscht und vorstellt, verläuft die Angelegenheit nicht, denn eines seiner Folteropfer, der aktive, nunmehr einflussreiche ANC-Politiker Alex Mpondo (Chiwetel Ejiofor), erhebt Einspruch gegen den Amnestieantrag, denn sein damaliger Freund und Mitstreiter Steve Sizela (Loyiso Gxwala), der vermutlich ebenfalls von Hendricks malträtiert wurde, ist nach wie vor spurlos verschwunden. Doch die (fehlenden) Erinnerungen und die drastische Konfrontation mit der Vergangenheit stürzen Mpondo in eine schwere Krise und ebensolche Konflikte, und angelegentlich tritt die Anwältin Sarah Barcant (Hilary Swank) in Erscheinung, die zwar mittlerweile im Ausland lebt, aber früher in Südafrika unter erheblichen Repressionen zu leiden hatte und nun mit Mpondo den Prozess bestreitet …

Es ist erstaunlich, wie wenig bekannt dieses dichte Drama mit seiner schwindelnden ethischen Relevanz hierzulande ist, das Regisseur Tom Hooper als spannenden, zutiefst beunruhigenden bis beklemmenden Gerichtsthriller mit sensibler und gnadenloser psychologischer Raffinesse nach dem Roman der aus Südafrika stammenden Autorin Gillian Slovo realisiert hat. Die unbequeme, höchst brisante Thematik, die Red Dust – Die Wahrheit führt in die Freiheit nicht nur aufgreift, sondern schonungslos ausleuchtet und zuspitzt, wird hier nicht auf Schlagworte wie Wahrheit, Freiheit, Täter, Opfer und Versöhnung reduziert, sondern als anhaltender, permanenter und längst nicht abgeschlossener politischer wie persönlicher Prozess postuliert. Da existieren starke karge Bilder gemeinsam mit Impressionen sozialer Systeme, die Qualen einer Bevölkerung zum Ausdruck bringen, die zwischen Wut und Trauma um eine Re-Humanisierung einer Gesellschaft ringt, wohl wissend und an dem Wissen leidend, dass es keine Wiedergutmachung geben kann, sondern lediglich Vergebung.

Red Dust – Die Wahrheit führt in die Freiheit

„Truth and Reconciliation Commission“ – kurz TRC – lautete der Name jenes Gremiums, das 1996 vom damaligen Staatspräsidenten Nelson Mandela in Südafrika eingesetzt wurde, um sich mit den unzähligen Menschenrechtsverletzungen auseinanderzusetzen und diese zu dokumentieren, die während der abscheulichen Ära der Apartheid geschehen sind.
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