Red Army

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Feiglinge spielen kein Hockey

Die ersten Bilder von Red Army versprechen einen Thriller: Von der kommunistischen Bedrohung wird gesprochen, Bilder des Eishockey-Trainings werden mit spannender Musik unterlegt, dazwischen werden die Namen der Crew eingeblendet. Hier scheint ein Film zu beginnen, der von dem großen Aufeinandertreffen von Kommunismus und Kapitalismus kündet, von dem eisernen Vorhang der UDSSR und der Freiheit der USA. Im Folgenden dreht sich der unterhaltsame Dokumentarfilm aber vor allem auf die Bedeutung des Eishockeys in der UDSSR und dem bedeutendsten Team dieses Sport: dem Red Army Hockey Team.
Im Mittelpunkt steht dabei für Filmemacher Gabe Polsky die Lebensgeschichte des legendären Verteidigers Slava Fetisov. Schon als kleiner Junge wollte er Eishockey spielen, deshalb nahm er erstmals mit neun Jahren an dem Auswahlverfahren teil, das in der UDSSR äußerst professionell betrieben wurden: Überall fanden Auswahltrainings statt, nur die besten wurden genommen und dann weiter ausgebildet. Nachdem Fetisov einmal scheiterte, trainierte er täglich und schaffte den Sprung ein Jahr später. Fortan war sein Leben vom Eishockey und seinen Mannschaftskameraden geprägt. Von seinem ersten Trainer Tarasov lernte das Team das schnelle Pass-Spiel, das die elegante und überlegene Spielweise der UdSSR-Mannschaft über Jahre bestimmte. Er legte den Grundstein für den späteren Erfolg, da die körperbetonte Spielweise der Spieler in den USA und Kanada mit dieser Technik nicht umgehen konnten, und zugleich verkörperte es den Grundgedanken des Sozialismus: Pass-Spiel funktioniert nur im Zusammenspiel und bei Zusammenhalt des Kollektivs.

In der UdSSR war Sport im Allgemeinen und Eishockey als populärste Sportart im Besonderen immer mehr als nur ein Sport, sondern eine politische Angelegenheit. Als Tarasov wurde nach einer kritischen Aussage entlassen wurde, folgte ihm mit Tikhonov ein Vertrauter des KGB-Chefs, der bei den Spielern verhasst war, weil er sie viermal am Tag trainieren und nie nach Hause fahren ließen. Doch selbst nach der legendären Niederlage gegen die USA – eine Mannschaft aus College-Spielern – blieb er im Amt. Vor allem aber war das Red Army Hockey Team eines der wichtigsten Propagandamittel in der UDSSR: Es sollte die Überlegenheit des Sozialismus gegenüber allen anderen Systemen demonstrieren. Diesen Patriotismus hat Fetisov – bis 2008 Sportminister in Russland – verinnerlicht: Ihm kam bei Auslandsreisen niemals in den Sinn, dass er desertieren könne. Es wäre für ihn Verrat gewesen wäre. Deshalb nahm er persönlichen Verzicht lange in Kauf, sah über lange Jahre seine Familie kaum und nahm Beschränkungen hin. Erst als ihm im Zuge des Wandels 1990/91 entgegen öffentlicher Aussagen ein Wechsel in die USA verweigert wurde, kam es zum Bruch mit dem Trainer. Dabei korrespondiert im Film seine persönliche Entwicklung mit dem politischen Verlauf: Anfangs von dem System überzeugt, spürt er immer mehr dessen Restriktionen und Nachteile, so dass er nach mehr Freiheit giert.

Diese Verbindung aus Sport und Politik bringt Gabe Polsky in seinem Dokumentarfilm gut zum Ausdruck. Dabei zeigen sich eindrucksvoll die Gegensätze zwischen den Spielweisen und politischen Systemen in der UdSSR und den USA: Der Erfolg des Red Army Teams begründete sich in der Verbindung aus Talent und harter Arbeit. Niemand in diesem Team war ein Star, sondern alle arbeiteten als Kollektiv zusammen – der Kern waren die „großen Fünf“ – fünf Spieler, deren Zusammenspiel so aufeinander abgestimmt war, das es schwer zu durchbrechen war. Festitov hatte diese Spielweise verinnerlicht, er war innerhalb der Mannschaft gewachsen und glaubte an die Kraft des Kollektivs. Als er nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wie viele andere Eishockeyspieler in die USA kam, begegnete er einer individualistischen Spielweise, die Stars produzierte – und kam nicht zurecht. Nicht zuletzt deshalb ist Red Army eine interessante und unterhaltsame Dokumentarfilms über die Stellung des Sports in der UdSSR.

Red Army

Die ersten Bilder von „Red Army“ versprechen einen Thriller: Von der kommunistischen Bedrohung wird gesprochen, Bilder des Eishockey-Trainings werden mit spannender Musik unterlegt, dazwischen werden die Namen der Crew eingeblendet. Hier scheint ein Film zu beginnen, der von dem großen Aufeinandertreffen von Kommunismus und Kapitalismus kündet, von dem eisernen Vorhang der UDSSR und der Freiheit der USA.
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