Queen of Earth

Eine Filmkritik von Gregor Ries

Vom Ende einer Freundschaft

Mit seinen Arbeiten sorgte Independentregisseur Alex Ross Perry zuletzt für stete Aufmerksamkeit, wobei sie hierzulande nur auf Festivals wie der Berlinale oder dem Münchner Filmfest zu sehen waren. In seinen Filmen legt er sich auf keinen durchgängigen Stil fest, sondern verändert seine Erzählweise von Sujet zu Sujet. In seinem dritten Werk Listen Up Philip verlagerte sich etwa die Perspektive von einem eigensinnigen Schriftsteller in der Krise allmählich auf dessen Freundin, eine Fotografin. Im Nachfolger Queen of Earth, der anfangs fast wie eine Fortsetzung wirkt, steht die junge Frau Catherine – erneut von Elisabeth Moss verkörpert – im Vordergrund. Sie entfernt sich immer stärker von ihrer Jugendfreundin Virginia (Katherine Waterston), wobei sich ihre einstige Vertrautheit allmählich zu einem Psychoduell ausweitet.
Während sie einst als Assistentin ihres Vaters arbeitete und dessen künstlerischen Schatten nie überwinden konnte, steht Catherine Hewitt nach dessen Tod ohne Job da. Nachdem ihr Freund sie zudem für eine andere verließ, besucht die enttäuschte Frau wie jedes Jahr das Seehaus ihrer Jugendfreundin Virginia. Allerdings kann auch ‚Ginny‘ sie nicht vor den aufkommenden Depressionen bewahren. Auf Virginias offensichtliche Beziehung mit ihrem Nachbarn Rich (Patrick Fugit), der oft unverhofft auftaucht, reagiert Catherine mit Ablehnung und Aggressionen. Immer stärker zieht sie sich in vergangene Welten und ihre innere Wahrnehmung zurück.

Einige Motive des Vorgängers wie den Schauplatz eines abgelegen Ferienhauses als Schlachtfeld der Emotionen oder die Folgen psychischer Krisen greift Alex Ross Perry erneut auf. Indem er Virginia zu den Büchern des fiktiven Autors Ike Zimmermann greifen lässt, schlägt der Filmemacher ebenfalls den Bogen zum Vorgänger. In Listen Up Philip, fast ein Ensemblefilm, fungierte dieser ältere, angesehene Schriftsteller in seinem Domizil als wohlwollender Gastgeber und eine Art Vaterfigur für den jüngeren Kollegen. Wieder verzichtet Perry auf eine stringent entwickelte Handlung und reißt häufig nur Situationen oder Stimmungen an, ohne alle Lücken füllen zu wollen. Der Unterschied liegt darin, dass er sich, auch aufgrund des überschaubaren Budgets, auf die beiden Frauen konzentriert, während die Biografien der Nebenfiguren nur angerissen werden. Zunehmend macht er sich dabei Catherines Perspektive zu eigen.

Dieser Struktur passt sich ebenfalls die Kameraarbeit des in einzelne Wochentagskapitel eingeteilten Psychotrips an, der wie der Vorgänger auf 16mm-Film gedreht wurde. Häufig setzt Sean Price Williams auf extreme Close-ups seiner Protagonistin. Bei einer Partyszene spitzt sich etwa Catherines Paranoia zu, was durch den raschen Wechsel der mit Handkamera eingefangenen subjektiven Blickwinkel verdeutlicht wird. In diesem Momenten erinnert Queen of Earth an Roman Polanskis Ekel, den Ross in einzelnen Einstellungen zitiert. Nicht umsonst heißt die Protagonistin Catherine (nach Catherine Deneuve), während Virginia Reminiszenzen an den Klassiker Wer hat Angst vor Virginia Woolf? weckt. Zu den weiteren Vorbilder zählen Bergmans Persona oder Fassbinders Frauenduell Die bitteren Tränen der Petra von Kant, an den das Plakat mit der grell geschminkten Elisabeth Moss denken lässt. Moss’ Tour de Force steht Sam Waterstones Tochter Katherine als einst enge Gefährtin in nichts nach, die zuletzt unter anderem in Inherent Vice – Natürliche Mängel für Aufmerksamkeit sorgte.

Wie Schriftsteller Philip im Vorgänger fühlt sich Catherine anfangs als ‚Königin der Erde‘, doch diese selbstbewusste Attitüde erhält rasch Brüche. Ihre Angstvisionen, verbunden mit flashartigen Rückblenden in eine bessere Ära, werden durch den so ruhigen wie verstörenden Score unterstrichen. Als Kontrast zur klaustrophobischen Kammerspielatmosphäre dienen die lyrischen Naturaufnahmen, die auf Catherine keine beruhigende Wirkung entfalten können. Jedes Detail gewinnt plötzlich an Gewicht. Kleine Dissonanzen arten zu einem seelischen Gewitter aus. Durch häufige Ausblendung der Dialoge unterstreicht Perry die sich ausbreitende Kommunikationslosigkeit zwischen den beiden Frauen. Das macht die Studie einer Entfremdung zu keiner einfachen Kost, wie die kontroversen Reaktionen sowohl beim Berlinale-Start wie beim US-Release belegen. Doch es zeigt, dass Alex Ross Perry eine der diskussionswürdigsten Arbeiten des Independent-Jahres vorlegte.

Queen of Earth

Mit seinen Arbeiten sorgte Independentregisseur Alex Ross Perry zuletzt für stete Aufmerksamkeit, wobei sie hierzulande nur auf Festivals wie der Berlinale oder dem Münchner Filmfest zu sehen waren. In seinen Filmen legt er sich auf keinen durchgängigen Stil fest, sondern verändert seine Erzählweise von Sujet zu Sujet. In seinem dritten Werk „Listen Up Philip“ verlagerte sich etwa die Perspektive von einem eigensinnigen Schriftsteller in der Krise allmählich auf dessen Freundin, eine Fotografin.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen