Puppe, Icke und der Dicke

Eine Filmkritik von Stefan Otto

"Du kannst nüscht, du machst nüscht - fahr nach Berlin!"

Alle wollen nach Berlin, auch die Französin Europe, die im Titel als „Puppe“ auftaucht, und Bruno, „der Dicke“. „Du kannst nüscht, du machst nüscht — fahr nach Berlin!“ bringt Bomber, der im Titel als „Icke“ firmiert, die verbreitete Sehnsucht auf einen Nenner. Freilich ist Bomber Berliner und will nach einem kurzen, unerfreulichen Abstecher nach Paris selbst wieder zurück.
Das Transportunternehmen, bei dem Bomber noch als Fahrer arbeitet, ist schon nach fünf Monaten pleite. Die Kündigung ist gerade ausgesprochen, als er beschließt, die letzte Fuhre nicht wie gewünscht nach Warschau zu bringen, sondern auf eigene Rechnung in Paris zu verhökern. Doch es kommt anders: Er wird übers Ohr gehauen und strandet mit leeren Taschen an einem Pariser Kiosk. Dort begegnet er dem stummen, dicken Bruno, der nach Berlin möchte, um etwas über seine Familiengeschichte zu erfahren. Etwas später schließt sich die blinde, schöne Europe ihnen an, die sich von einem Berliner Müllmann schwängern ließ und sich nun auf die Suche nach ihm macht.

Puppe, Icke & der Dicke sind damit komplett und gemeinsam unterwegs auf der Strecke Paris — Berlin. Der kleinwüchsige Bomber, der wie sein Darsteller Tobi B. am Silver-Russell-Syndrom leidet, bezeichnet das Trio, das aus ihm selbst, der Blinden (Stéphanie Capetanidés) und dem Stummen (Matthias Scheuring) besteht, freimütig als „Kloppi-Verein“, wobei „Kloppi“ für „behinderte Menschen“ steht. Was folgt, ist ein Road-Movie mit vielen Stopps und jenen Scherzen, die sich eben anbieten, wenn so skurrile Gestalten beisammen sind. Zum Beispiel, wenn der kleine Bomber der blinden Europe erklärt: „Ich seh vielleicht scheiße aus, aber das kann dir ja egal sein.“

In Puppe, Icke & der Dicke stehen die naiven Figuren für Schicksale, die letztendlich recht beliebig sind. Wesentlich ist allein, dass sie irgendwie eingeschränkt sind und (dadurch) auf der Verliererseite zuhause. Ein bisschen wirkt diese Anhäufung skurriler Gestalten, zu denen neben den drei Haupt- auch etliche Nebenfiguren zu zählen sind, wie der Blick in ein Kuriositätenkabinett. Ein bisschen wirken die Figuren auch wie Parodien und im besten Fall, will heißen: eher selten, felliniesk.

Dem komödiantischen Road-Movie gelingt es dabei jedoch, und vielleicht kam es dem Regisseur und Autor Felix Stienz hauptsächlich darauf an, eine gewisse einfache Lebensfreude zu vermitteln, die darauf fußt, sich auf das Leben — mit all seinen Widrigkeiten — einzulassen. Weil Puppe, Icke & der Dicke das tun, wirken sie sympathisch und nehmen die Zuschauer für sich ein. Die Komödie, die sich, auch was die Musik angeht, beeinflusst von den Filmen um die Leningrad Cowboys (Leningrad Cowboys go America, Die Leningrad Cowboys treffen Moses / Leningrad Cowboys meet Moses) zeigt, atmet dabei auch den rebellisch-übermütigen und freien Geist von Filmen wie Theo gegen den Rest der Welt. Und so etwas war aus Deutschland lange nicht mehr zu sehen.

Puppe, Icke und der Dicke

Alle wollen nach Berlin, auch die Französin Europe, die im Titel als „Puppe“ auftaucht, und Bruno, „der Dicke“. „Du kannst nüscht, du machst nüscht — fahr nach Berlin!“ bringt Bomber, der im Titel als „Icke“ firmiert, die verbreitete Sehnsucht auf einen Nenner. Freilich ist Bomber Berliner und will nach einem kurzen, unerfreulichen Abstecher nach Paris selbst wieder zurück.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Bingo N. · 23.11.2012

Die Tatsache, einen solch großartigen Film mit vergleichsweise dürftigen finanziellen Mitteln, dafür aber mit liebevollem Enthusiasmus und großem Durchhaltevermögen auf die Beine zu stellen, hat bei mir große Freude und uneingeschränkten Respekt ausgelöst. Davon dürfen sich viele sog. Blockbuster gleich mehrere Scheiben abschneiden ... yes Sir !