Proxy

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Wenn alles aus den Fugen gerät

Alles fängt so normal an. Eine schwangere Frau, eine Ultraschalluntersuchung, der Spaziergang nach Hause. Dann schlägt der Film dem Zuschauer in die Magengrube, ganz fest, ganz brutal und richtig schmerzhaft. Er zeigt, wie ein Angreifer mit einem Stein auf den Bauch der Hauptfigur einschlägt. Die spätere Notoperation ist – keine Übertreibung! – sehr, sehr plastisch. Proxy fängt verstörend an, er bleibt es bis zum Schluss.
Die schwangere Esther wird auf offener Straße angegriffen und verliert dadurch ihr Baby. Sie geht in eine Selbsthilfegruppe, wo sie Melanie kennen lernt, die ebenfalls einen herben Verlust hinnehmen musste. Die beiden Frauen kommen sich näher, Esther will aber mehr, als Melanie zu geben bereit ist. Die Situation eskaliert, als Esther herausfindet, dass Melanies Sohn noch lebt – anders, als diese es berichtet hatte. Aber das ist ein Umstand, der sich leicht ändern lässt.

Zack Parkers Film wird häufig ein Hitchcocksches Gefühl unterstellt. Das ist durchaus richtig, dieser langsam sich entfaltende Psycho-Thriller mit dem eindringlichen, richtiggehend heimsuchenden Score der Newton Brothers zieht ganz tief in seine Geschichte hinein, ist so mysteriös, wie der Titel. Dieser gibt jedoch einen Hinweis auf den Inhalt, einen Anhaltspunkt, wie Proxy zu lesen ist. Es ist das Münchhausen-Stellvertretersyndrom, das die Autoren inspiriert hat, sie treiben es aber auf die Spitze, und das auf eine Art, die nicht leicht erkennbar, geschweige denn interpretierbar ist. Weil sie mehr als eine Hauptfigur bieten und nicht davor zurückschrecken, im Sinne von Hitchcocks Psycho und Vertigo einen harten Bruch zu machen, den Protagonisten zu wechseln und praktisch von vorne zu beginnen.

Parker hat offenbar die Arbeiten von Hitchcock, vor allem aber auch dessen Epigonen Brian DePalma studiert. Er steht nicht auf selber Stufe mit diesen Meistern, dafür fehlt seinem Film ein klein wenig zu sehr der Fokus. Besonders in der zweiten Hälfte, wenn die Figur der tätowierten Rächerin stärker ins Spiel gebracht wird, verliert die Geschichte ihr eigentliches Ziel aus den Augen. Der interessanteste Aspekt ist das Zusammenspiel der zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein und sich doch ähnlicher nicht fühlen könnten.

Die Einsamkeit der einen, das Heischen um Aufmerksamkeit der anderen sind starke Kontrastpunkte einer Geschichte, die sich mit der Bewältigung von Trauer, aber auch dem Versagen dabei befasst. Proxy zeigt in verstörenden Bildern das Zerbrechen des Verstands, den bodenlosen Sturz in jenen Abgrund, in dem sich ein gesunder Geist verirren kann, wenn er sich nicht genug vor ihm hütet.

Proxy ist ein ambitionierter Film, der zwar betont langsam erzählt ist, aber von einer kraftvollen Atmosphäre getragen wird. Parker zitiert seine Vorbilder, er findet tatsächlich Bilder voller Gewalt, die aber voller Schönheit sind, weil er das Geschehen verlangsamt, die Musik alles übertönen und dann einen Schuss alles zerreißen lässt. Das sind imposante Momente in einem faszinierend mysteriösen Film. Für das ganz große Meisterwerk hat es nicht gereicht, eine Entdeckung ist Proxy aber dennoch.

Proxy

Alles fängt so normal an. Eine schwangere Frau, eine Ultraschalluntersuchung, der Spaziergang nach Hause. Dann schlägt der Film dem Zuschauer in die Magengrube, ganz fest, ganz brutal und richtig schmerzhaft. Er zeigt, wie ein Angreifer mit einem Stein auf den Bauch der Hauptfigur einschlägt. Die spätere Notoperation ist – keine Übertreibung! – sehr, sehr plastisch. „Proxy“ fängt verstörend an, er bleibt es bis zum Schluss.
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