Log Line

Märchen mal anders: Produzent John H. Williams, der schon bei „Shrek“ mit von der Partie war, und Regisseur Ross Venokur drehen einen Thronfolger auf links. Der heißt „Prinz Charming“ und stiehlt jede Menge Frauenherzen.

Prinz Charming (2018)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Traumprinz in Nöten

Wenn Animationsfilme in die Märchenkiste greifen, ziehen sie den Vorlagen entsprechend meist leidende Prinzessinnen, böse Schwiegermütter und edelmütige Prinzen heraus. Regisseur und Drehbuchautor Ross Venokur macht das zur Abwechslung endlich mal wieder anders.

Es war einmal … in einem weit entfernten Königreich: Dornröschen wartet im Tiefschlaf, Schneewittchen im Giftschlaf und Aschenputtel hellwach, aber ohne gläsernen Schuh am Fuß auf ihren Traumprinzen. Der kommt, küsst und kassiert die Frauenherzen. Dass er gleich auf drei Verlobungen tanzt, erfahren die Blaublüterinnen erst in der Schlange beim Bäcker, als sie ihre Hochzeitstorten bestellen und ihren Auserwählten als „trophy boy“ besingen.

Von einem Schürzenjäger ist der Schlaks mit Schlafzimmerblick jedoch weit entfernt. Ross Venokur nimmt dessen Namen einfach wörtlich. Der Traumprinz ist im Deutschen so traumhaft wie im Englischen charmant, weil es die schnauzbärtige Segensfee nach der Geburt mit ihren Wünschen etwas zu gut gemeint und die böse Fee einen Fluch obendrauf gesetzt hat. Kein Mädchen, das in des Prinzen Augen blickt, kann ihm widerstehen. Und da der Thronfolger obendrein nicht gerade mit Hirnschmalz gesegnet ist, versetzt er die eifersüchtigen Männer des Königreichs reihenweise in Rage.

Es war einmal … im Animations-Universum: Schon einmal zog ein Studio aus, um die Vormachtstellung des Disney-Konzerns mit einer gehörigen Portion Ironie zu brechen. DreamWorks dekonstruierte 2001 mit Shrek – Der tollkühne Held die heile Märchenwelt. Sanfte Modernisierungsbestrebungen sind seither auch im Haus mit der Maus häufiger zu finden. Doch neben diverseren Heldinnen wie Tiana in Küss den Frosch (2009) oder Vaiana (2016) stehen immer noch Filme wie Die Eiskönigin – völlig unverfroren (2013), in dem zwei Schwestern nur deshalb wieder zueinanderfinden müssen, weil ihre Eltern eine von ihnen jahrelang wegsperrten.

Schon bei Shrek, dessen Nachfolgern und der Auskopplung Der gestiefelte Kater (2011) war Produzent John H. Williams mit von der Partie. Wie Ross Venokurs Langfilmdebüt Voll auf die Nuss (2015) entstand nun auch Prinz Charming in Williams‘ 2002 gegründetem Animationsstudio Vanguard. Und auch dieses Mal drehen Williams und Venokur die Geschichte auf links. Um seinen Fluch rechtzeitig vor seinem 21. Geburtstag zu brechen, muss der Prinz drei unmögliche Prüfungen bestehen: einen nicht passierbaren Pass passieren, eine nicht überlebbare Attacke überleben und ein unbesiegbares Monster besiegen. Die Drecksarbeit überlässt er dabei seinem eigens für die Mission auserwählten Gefährten Lenny, hinter dessen falschem Bart sich die wahre Heldin dieser Geschichte, die Diebin Lenore, verbirgt.  

Es war einmal … im Kinsosaal: Prinz Charming macht hier jede Menge anders, vieles, aber nicht alles besser als die Konkurrenz. Seriendarling Wilmer Valderrama (Die wilden 70er) spricht den Prinzen mit lateinamerikanischer Klangfärbung, die Musikerinnen Demi Lovato, Ashley Tisdale, Avril Lavigne, G.E.M. und Sia seine weiblichen Gegenparts. Ex-Monty-Python John Cleese glänzt als Segensfee, My Big Fat Greek Wedding-Star Nia Vardalos als dessen böses Pendant. Bis auf die Pop-Songs, die auch hierzulande im englischen Original zu hören sind, ist davon in der Synchronisation leider nichts geblieben.

Auch die Animationen können, was ihren Detailreichtum anbelangt, nicht mit denen der großen Studios mithalten. Dafür entschädigt die Geschichte mit viel Witz, Charme und einem gelungenen Rollenwechsel. Weil der weltfremde Prinz weder fechten noch jagen, weder kochen noch Kutschen lenken kann, ist Lenore gefragt. Die Jungfrau in Nöten ist dieses Mal also männlich und am Ende auf einen Kuss angewiesen. Das ist zwar lange nicht so subversiv wie seinerzeit Shrek – was etwa die Liebe zwischen dem Prinzen und dem vermeintlichen Mann Lenny betrifft, hält sich das Drehbuch vornehm zurück –, letztlich aber eine gelungene Abwechslung zur üblichen Märchensoße, selbst wenn das Paar am Ende glücklich lebt, wenn es denn nicht gestorben ist.

Prinz Charming (2018)

Prinz Charming wurde als Baby verflucht: Jede Frau, die in seine Augen blickt, soll sich auf der Stelle unsterblich in ihn verlieben! Somit hinterlässt der Prinz schon in jungen Jahren eine Schneise aus liebeskranken Frauen und ihren verschmähten Liebhabern, die verärgert schwören, Chaos über das ganze Königreich zu bringen. Prinz Charmings erzürnter Vater, König Charming, stellt seinem Sohn daraufhin ein Ultimatum: Entweder findet er vor seinem 21. Geburtstag die einzig wahre Liebe und hebt damit den Fluch auf, oder er verliert seinen Anspruch auf den Thron.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen