Prime Cut - Die Professionals (Blu-ray)

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Hollywoods Fleischmarkt

Niemand legt sich mit Lee Marvin an. Man braucht diesen Mann nur anzusehen und fühlt sich schon zwei Schuhgrößen kleiner. Eine imposante Statur, stechende Augen und seine sonor brummende Stimme strahlen eine zwingende Coolness aus, die wie geschaffen ist für eine schwarze Komödie über einen Hillbilly-Farmer aus Kansas (Gene Hackman), der nicht nur Rindfleisch, sondern auch Mädchen und Drogen verhökert. Und dem Mob eine Menge Geld schuldet, was schließlich Lee Marvin alias Nick Devlin auf den Plan ruft. Ein „mobster out of water“, eine hartgekochte Gangsterfabel inmitten strahlender Sonnenblumen.
Prime Cut ist eine wahre siebziger-Jahre-Perle, genauso tough wie neben der Spur. Die Coolness des Films ergibt sich aus der lakonischen Einstellung gegenüber einer Geschichte, die eigentlich als breite Komödie angelegt werden sollte, aber im Grunde völlig ernst bleibt. So ernst wie Lee Marvin, der hier seine ikonische Erscheinung gekonnt ironisiert, allerdings ausschließlich in Verbindung mit dem Rahmen der Handlung. Als die Mobster-Jungs nach Kansas einfahren, kurven sie durch blühende Weizenfelder und laden dabei ihre Waffen. Der Vorgänger von Devlin wurde als Wurstpaket zurückgeschickt, schon bald fliegt eine Mistgabel in die Tür des schicken Mobsterschlittens und der Höhepunkt ist eine Verfolgungsjagd mit einem Mähdrescher.

Coolness und Kansas, das passt zumindest auf den zweiten Blick hervorragend zusammen. Die Mähdrescher-Szene erinnert nicht von ungefähr an die Flugzeug-Szene in Der unsichtbare Dritte, auch weil Regisseur Michael Ritchie auf ungemein ökonomische Weise an seiner straighten Geschichte festhält und jede Absurdität als völlig normal hinstellt. Gleich zu Beginn des Films bleibt ein Mitarbeiter einer Fleischfabrik denkbar ungerührt, als auf dem Fließband auf einmal menschliche Körperteile auftauchen. Gene Hackman heißt in dem Film Mary Ann, weil er nunmal Mary Ann heißt. Und wenn dann auch noch Sätze fallen wie „cow flesh, girl flesh, it’s all the same to me“, kommt man kaum auf den Gedanken, laut loszulachen. In Kansas gehen die Uhren halt anders, da wird gold schimmernde Americana-Harmonie noch mit perversen Comic-Nadeln gepudert.

Dass Prime Cut diese Coolness bis zum Ende durchhält, darf vor allem Michael Ritchie zugeschrieben werden, der hier eine meisterliche Lektion in Sachen Inhalt und auch Handwerk erteilt. Jede Szene und jede Einstellung des Films zählt, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint. Kameramann Gene Polito findet wunderbare Scope-Bilder, Lalo Schifrin serviert süßliche Easy-Listening-Klänge und Action passiert genau so, wie sich das heutzutage eigentlich kaum noch jemand traut. Brutal, direkt und völlig ohne Selbstzweck. Es wäre ja ein Leichtes, dem lakonischen Humor nachzugeben und zum Beispiel die Mistgabel-Szene noch weiter auszuschlachten, doch Ritchie besteht einfach darauf, dass Reduktion mehr wirkt als glamouröses Dauerfeuer. Wenn bei Prime Cut ein Schuss fällt, dann kann man sicher sein, dass er auch etwas bedeutet.

Zu Beginn mag die Agenda des Films vielleicht etwas befremdlich erscheinen, auch weil es geschlagene 15 Minuten dauert, bis mal ein ganzer Satz gesprochen wird, doch auf lange Sicht ist ihre Wirkung geradezu durchschlagend. Gewalt, Sex, Zynismus, Maßanzüge und wohlgenährte Rinder. Lee Marvin ist in Kansas völlig fehl am Platz und wahrt dabei eine selbstsichere Unerbittlichkeit, die Coolness nicht nur behauptet, sondern mit jeder Pore lebt. Prime Cut ist New Hollywood at its best, und die Blu-Ray von Explosive Media kann zumindest so weit mithalten, als hier einem relativ unbekannten Film eine solide Präsentation gewährt wird — allerdings ohne nennenswerte Extras. Auch mit zwei Staubkörnern auf dem Maßanzug: ein echtes Filetstück.

(Martin Beck)
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Die 70er Jahre waren eine große Zeit für den amerikanischen Film. Das alte Studiosystem diente aus, das New Hollywood sprühte hingegen vor purer, ungebündelter Kreativität. Die Studios ließen jungen Wilden die Möglichkeit, ihre eigenen Filme zu machen. Kleine Budgets, aber große Ideen zeichneten das New Hollywood aus. Grenzen wurden ausgelotet – formal, aber auch inhaltlich – und regelmäßig überschritten.

Mary Ann (Gene Hackman) besitzt eine Schlachterei, macht sein Geld jedoch mit Drogen- und Menschenhandel. Dem Mob schuldet er noch eine Menge Geld, weswegen ein Eintreiber geschickt wurde. Der ist verschwunden. Er wurde zu Wurst verarbeitet. Nun kommt Nick Devlin (Lee Marvin), ein Killer, im Auftrag des Mobs in die Stadt. Er soll reinen Tisch machen, aber das erweist sich als problematischer als gedacht.

Michael Ritchies Prime Cut (früherer ungelenker Titel: Die Professionals) ist auch vier Jahrzehnte nach seiner Entstehung noch ein herbes Stück garstigen Gangsterkinos, wie man es heute kaum noch findet. Die Geschichte ist nicht überragend originell, die Umsetzung und die Details sind es jedoch. Das beginnt bei Gene Hackmans Rollennamen, der von allen einfach als gegeben angesehen wird, und endet bei seiner ganz und gar vulgären Stimmung. Was Sex und Gewalt angeht, ist der Film extrem effektiv – und das, obwohl er vieles gar nicht zeigt, sondern ganz und gar der Phantasie des Zuschauers überlässt. Das aber so eindringlich, dass man schwören könnte, wirklich gesehen zu haben, was sich vor dem geistigen Auge abspielt. Die suggestive Kraft der Bilder ist gewaltig.

Die Figuren sind unterentwickelt, im Grunde wenig mehr als ein Klischee, aber Lee Marvin und Gene Hackman erfüllen sie, ganz dem eigenen Image als echte, harte Männer entsprechend, mit Leben. Die junge Sissy Spacek gab mit Prime Cut ihr Debüt.

Das Highlight des Films ist die Sequenz, in der Marvin und Spacek von einem Mähdrescher verfolgt werden. Gene Politos Kameraführung ist exzellent. Zusammen mit dem frenetischen Schnitt wird hier ein Maximum an Spannung erzeugt, eingebettet in prächtige Bilder. In mehr als einer Beziehung ist Prime Cut ungewöhnlich, nichts ist jedoch wirksamer als die Titelsequenz, die wie ein Industriefilm anmutet und zeigt, wie Schlachtvieh verarbeitet wird. Untermalt ist das alles von leichter Musik, für die Lalo Schifrin verantwortlich zeichnet. So erstaunlich wie dieser Anfang ist auch der Film. Ein feister, kleiner Gangsterstreifen, der keine Gefangenen macht.

Prime Cut - Die Professionals (Blu-ray)

Die 70er Jahre waren eine große Zeit für den amerikanischen Film. Das alte Studiosystem diente aus, das New Hollywood sprühte hingegen vor purer, ungebündelter Kreativität. Die Studios ließen jungen Wilden die Möglichkeit, ihre eigenen Filme zu machen. Kleine Budgets, aber große Ideen zeichneten das New Hollywood aus. Grenzen wurden ausgelotet – formal, aber auch inhaltlich – und regelmäßig überschritten.
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