Possession - Das Dunkle in dir

Eine Filmkritik von Lida Bach

Es rappelt in der Kiste

„Du hättest das sehen sollen. Ich hatte regelrecht Angst!“ Spätestens wenn in Ole Bornedals Exorzismus-Streifen Possession — Das Dunkle in Dir dieser Satz fällt, wünscht man verzweifelt, man könne von sich das gleiche behaupten. Leider verwehren der dänische Regisseur und das Produzenten-Trio, das Horrorveteran Sam Raimi anführt, dem Zuschauer diese Freude. Vielleicht, weil sie beim Gedanken an ihre Beteiligung an dem drögen Dämonentheater selbst das Grauen packte, wie Co-Produzent J. R. Young im Presseheft andeutet: „Man beginnt sich zu fragen: Worauf hatten wir uns nur eingelassen bei der Arbeit an diesem Film?“
Manche Fragen bleiben besser unbeantwortet, besagt eine Standardformel des Horrorgenres. Mit denen kennen sich die Macher des Fließbandfilms aus abgegriffenen Grusel-Versatzstücken besonders gut aus, obwohl Produzent Robert Tapert unbedarft tut: „Die Geschichte hatte mehrere neue und reizvolle Elemente, die Sam und ich nie zuvor gesehen hatten, darunter die ganze Mythologie des Dybbuk.“ Offenbar hat Sam Raimi also weder The Exorcist noch irgendeinen von dessen Nachfolgern über Dämonenaustreibung und besessene Kinder gesehen, schon gar nicht David S. Goyers vor drei Jahren im Kino angelaufenen The Unborn. Dessen Grundhandlung gleicht einer Blaupause der von Juliet Snowden und Stiles White verfassten Mär über den Totengeist der jüdischen Folklore. „Er will nur eine Sache. Das, was er nicht hat: Leben!“, sagt der Rabbi, dem der geschiedene Familienvater Clyde Brenck (Jeffrey Dean Morgan) das Problem mit seiner Tochter Emily (Natasha Calis) schildert: „Das ist nicht mehr mein kleines Mädchen!“

Liegt das daran, dass ihr beim Tod einer Motte fast Tränen kommen? Dass sie gerade in einer Vegetarier-Phase ist? Oder daran, dass Emily dem Kleinmädchenalter längst entwachsen ist? Bornedal verspürt nicht die geringste Lust, der Geschichte ein solides psychologisches Fundament zu geben. Dabei bietet Emilys Besessenheit durch den Dybbuk, den sie unwissentlich aus einem beim Trödelverkauf erworbenen Kasten befreit, dafür durchaus Raum. So verjagt sie mit einer besonders fiesen Dämonenattacke den neuen Freund der Mutter auf Nimmerwiedersehen aus dem Haus und damit auch aus dem Film. Dadurch erscheint die Wandlung der Tochter lediglich als plumpe Metapher für die Strafe, die geschiedene Eltern für die Auflösung des konservativen Familienideals trifft. Emilys Mutter Stephanie (Kyra Sedgewick) und ihre ältere Schwester Hannah (Madison Davenport) beobachten hilflos deren Verrenken, Motten-Spucken und das radikale Beenden des Vegetarismus durch Verschlingen roher Steaks. „Gruselig“, kommentiert Stephanie das Brimborium anfangs mit einer süffisanten Geringschätzung, die der Zuschauer teilt.

„Das ist, was einer Familie im Zeitraum von 29 Tagen widerfuhr“, behauptet eine Textkarte direkt nach der, die versichert, alles sei eine „wahre Begebenheit“. Die begann vor einigen Jahren mit dem Verkauf einer „Dybbuk-Box“, inklusive des darin eingesperrten übellaunigen Geistes. Feilgeboten wurde das angebliche Original zugegebenermaßen an banalerer Stelle als im Nachlass eines Dämonenopfers: bei ebay. Vermutlich zählen Dybbuk-Boxen zu den wenigen Waren, die sich desto besser verkaufen, je mehr Übles man ihnen nachsagt.

Für Kinofilme gilt das allerdings nicht, weshalb die Produzenten an ihrem eigenen Filmmythos feilen mussten. Ließe sich ein seriöseres Zeugnis übernatürlicher Mächte denken als eine Artikelbeschreibung bei einem Online-Handel? Nicht für Sam Raimi: „Ich bin nie in die Nähe der Box gekommen und wollte das auch nicht. Der Preis dafür mehr herauszufinden war einfach zu hoch.“ Wohl wahr, auch wenn der Zuschauer nur den Preis einer Kinokarte zahlt.

Possession - Das Dunkle in dir

„Du hättest das sehen sollen. Ich hatte regelrecht Angst!“ Spätestens wenn in Ole Bornedals Exorzismus-Streifen „Possession — Das Dunkle in Dir“ dieser Satz fällt, wünscht man verzweifelt, man könne von sich das gleiche behaupten. Leider verwehren der dänische Regisseur und das Produzenten-Trio, das Horrorveteran Sam Raimi anführt, dem Zuschauer diese Freude.
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