Log Line

Auch in der Fortsetzung des Harry-Potter-Spinoffs „Phantastische Tierwesen“ versucht Joanne K. Rowling die Versäumnisse ihrer ursprünglichen Erzählwelt auszubügeln. Kann der Film dennoch für sich stehen?

Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen (2018)

Eine Filmkritik von Katrin Doerksen

Wir haben Schlimmes gesehen

Gleich zu Beginn von „Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen“ ziehen Thestrale eine Kutsche – jene ledrig geflügelten Pferde, die sich der Logik des Harry-Potter-Universums entsprechend nur denjenigen offenbaren, die den Tod gesehen haben. So baut der Film also auf der Grundannahme auf, wir hätten bereits Arges gesehen. Und das haben wir. Die auf den Romanen von Joanne K. Rowling basierenden Filme verfinsterten sich von Teil zu Teil und selbst das erste Spinoff Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind strebte 2016 optisch und dramaturgisch eher noch nach dem Unterhaltungsfaktor der omnipräsenten Superheldenfilme. Die Fortsetzung wiederholt die alte Tendenz: Sie ist deutlich düsterer, politischer.

Überhaupt ist Rowling Zauberwelt (denn von ihr persönlich stammen auch die Drehbücher zu den Spinoffs) eine, in der sich die Geschichte wiederholt. Die unbegründete Vermutung eines Zaubereiministerialbeamten beispielsweise, Albus Dumbledore (hier als sein jüngeres Ich erstmals dargestellt von Jude Law) würde nach politischer Macht streben, erinnert an die ähnlich gelagerten Vorwürfe aus Harry Potter und der Orden des Phönix, die freilich auf dem Zeitstrahl der Harry-Potter-Welt viel ferner in der Zukunft liegen als die Geschehnisse Ende der 1920er Jahre, denen wir in Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen beiwohnen. So eröffnet die aktuelle Fortsetzung auch neue Blickwinkel auf die Filme und Bücher der Originalreihe. Dumbledore erinnert darin plötzlich an die Frauen älteren Semesters, die heute auf Demonstrationen Schilder schwenken: „I can’t believe I’m still protesting this shit.“

Weil Macht also erwiesenermaßen eine ambivalente Angelegenheit ist, steht im Mittelpunkt des Films eine Figur wie sie einer Geschichte von Steven Spielberg aus den 1980er Jahren entsprungen sein könnte. Ein Intellektueller, ein Nerd, der sich für Macht kaum weniger interessieren könnte und eher zufällig ins Abenteuer stolpert: Newt Scamander (Eddie Redmayne), der Magizoologe, ständig mit einem magisch erweiterten Koffer voller phantastischer Tierwesen unterwegs. Als der berüchtigte Schwarzmagier Gellert Grindelwald (Johnny Depp) aus dem Gefängnis ausbricht und beginnt, seine Anhänger um sich zu scharen, beauftragt Dumbledore Scamander, ihn zu stoppen.

Wie schon im ersten Teil des Spinoffs versucht Joanne K. Rowling auch in Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen die Versäumnisse ihrer ursprünglichen Erzählwelt auszubügeln: Die Gesellschaft der Zauberer und Hexen ist deutlich diverser, zarte Andeutungen einer homoerotischen Verbindung zwischen Dumbledore und Grindelwald hätten ruhig noch deutlicher ausfallen dürfen. Spätestens mit der kurzen Rückkehr nach Hogwarts ist aber auch für die Fans der ersten Stunde gesorgt, altbekannte Figuren und Objekte wie der Spiegel Nerhegeb oder der Alchemist Nicholas Flamel spinnen die Harry-Potter-Mythologie weiter.

Es braucht einige Zeit bis Regisseur David Yates den passenden Erzählfluss für Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen findet. Zunächst einmal, weil es im Film selten darum geht, was der Titel suggeriert: Grindelwalds Verbrechen. Alles beginnt mit rasanter Action und konzentriert sich danach erst einmal in melodramatischem Tonfall auf die Liebesgeschichte der aus dem ersten Teil bekannten Queenie Goldstein (Alison Sudol) und ihres Bäckers Jacob Kowalski (Dan Fogler). Endlose Aneinanderreihungen von Großaufnahmen, beinahe so aufdringlich wie in den Filmen von Tom Hooper, stellen in diesen Szenen eine regelrecht unangenehme Nähe zu den Figuren her. Von Bedeutung ist außerdem ein düsteres Familiengeheimnis um Leta Lestrange (Zoë Kravitz) und den mysteriösen Credende Barebone (Ezra Miller). Grindelwald rückt inmitten dieser Handlungsstränge nicht unbedingt an den Rand des Films. Eher schwebt er wie eine finstere Wolke über dem Geschehen und verbindet so die einzelnen Fäden miteinander.

Sobald die anfänglichen Rhythmusstörungen überwunden sind, entpuppt sich diese unerwartete Gewichtung sogar als Stärke des Films. Denn auf diese Weise erzählt Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen nicht nur die Biografie eines fiktiven Zaubererbösewichts nach, sondern zeichnet das vielschichtige Bild einer zutiefst gespaltenen Magiergesellschaft. Gellert Grindelwalds Reden, seine Scheinargumentationen könnten eins zu eins von der AfD übernommen sein, von Donald Trump oder den vielen anderen Populisten, die sich derzeit weltweit Gehör verschaffen. Sie manifestieren das Überlegenheitsgefühl der sogenannten Reinblüter gegenüber Halbblütern, Muggeln und nichtmenschlichen magischen Wesen auf beunruhigend vertraute Weise: Die seien ja nicht schlecht, eben nur anders. Nicht unwert, eben nur von anderem Wert. Und mittendrin Newt Scamander, der anfangs noch konfliktscheue Antiheld, der schon bald gezwungen ist, sich zu politisieren.

Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen (2018)

Der zweite Teil von Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind spielt im Jahre 1927, wenige Monate, nachdem der Zauberer Geleert Grindelwald enttarnt und dingfest gemacht werden konnte. Doch nun ist der schwarze Magier wie angekündigt entkommen und versammelt wieder Gleichgesinnte um sich — und der einzige, der ihn aufhalten kann, ist sein früherer Freund Albus Dumbledore. Doch der wird Hilfe benötigen, wenn es gegen die finsteren Mächte geht. Wie gut, dass es Newt Scamander, Tina, Queenie und Jacob gibt …

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Kerstin · 21.11.2018

Bewertung 4 von 5

Kerstin · 21.11.2018

Vielen Dank für diese für mich sehr gut nachvollziehbare Filmkritik.
Am Sonntag, 18.11.18, habe ich mir den Film im Kino angesehen und bei aller Faszination und herrlicher Spannung nur eines nicht so recht verstanden:
Was will Grindelwald? Welche Verbrechen hat er verübt?
Selbstverständlich trug die Polemikszene während der großen Veranstaltung auch dazu bei, einen faschistoiden Zug bei ihm zu zeigen, aber so wirklich nachvollziehbar hat das auf mich nicht gewirkt. Leider nicht einmal abschreckend.
War das nun ein Regiefehler oder die Synchronisation oder war es der Darsteller selbst?
Keine Ahnung.
Was mir am Schluß angenehm bewusst wurde,, war das tolle Publikum mit denen ich im ausverkauften Saal ein erstaunlich angenehmes Erlebnis eines gemeinsam im Riesenwohnzimmer sitzend verbrachten Abends haben durfte.
Und letztendlich das Gefühl, dass Grindelwald noch ein oder mehrmals in Fortsetzungen über die Leinwand flimmern wird.
Johnny Depp bleibt spannend!