Persona (1966)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Ein Lehrstück über Kommunikation im Vakuum

Sie spielt gerade die Hauptrolle in der griechischen Tragödie Elektra, als sie unvermittelt auf der Bühne verstummt, und diese gleichermaßen rätselhafte wie ratlos wirkende Wortlosigkeit der Schauspielerin Elisabet Vogler (Liv Ullmann) hält auch an, als sie in annähernd Apathie versunken zu Diagnosezwecken in eine Klinik eingeliefert wird. Ihre Ärztin (Margaretha Krook), die sie von der Krankenschwester Alma (Bibi Andersson) ganz persönlich betreuen lässt, kann keine konkrete Ursache für Elisabets Zustand feststellen, und schlägt schließlich einen ausführlichen Aufenthalt im einsam gelegenen Ferienhaus der Patientin am Meer in Begleitung von Alma vor.

Persona, der von einer seltsamen, collagenhaften und apokalyptisch anmutenden Eingangssequenz angeführt wird, deren Motive später im Film während der Zweisamkeit der beiden Frauen im Haus auf der Insel wieder auftauchen, ist als intensives, mit signifikanten Symbolen ausgestattetes Kammerspiel inszeniert, das sich in seiner puristischen Form ganz auf die Befindlichkeiten und die zunehmende Dynamik zwischen Elisabet und Alma konzentriert, die in der Abgeschiedenheit der Natur jede für sich und doch in enger Verbundenheit miteinander auf die Essenzen ihres Daseins zurückgeworfen werden. Während Elisabet schweigt, führt Alma zunehmend das Wort, erzählt bedeutsame Erlebnisse aus ihrem Leben, öffnet sich, lebt auf; doch als sie anhand eines Briefes ihrer Patientin erfährt, dass diese sie insgeheim verspottet, entspinnt sich ein psychologisch aufgeladenes, ambivalentes Duell zwischen ihnen.

Eine ungeheure, mitunter gespenstische Nähe zwischen zwei Frauen hat Regisseur Ingmar Bergman mit Bibi Andersson und Liv Ullmann, den wohl wichtigsten Darstellerinnen seines umfangreichen Gesamtwerkes, innerhalb von zwei Monaten auf der Insel Fårö inszeniert, wo er häufig selbst lebte und auch begraben liegt. Während der Dreharbeiten zu Persona wurden die Norwegerin Liv Ullmann und Ingmar Bergman ein Liebespaar, wie die Dokumentation Liv & Ingmar – Eine Liebesgeschichte / Liv & Ingmar schildert, die als Bonus auf der Blu-ray enthalten ist. Es ist erstaunlich, mit welch minimalistischer Präzision hier eine von emotionalen Bewegungen und Imaginationen vorangetriebene Spannung entsteht, die im Spiel der Protagonistinnen mit ihrer Identität und ihrem Gegenüber zu einer geradezu schauerlichen Schau auf verborgene Abgründe gerät. Die Kamera von Sven Nykvist, die immer wieder zuvorderst die Gesichter der Frauen bis hin zu einer unheimlichen Ähnlichkeit fokussiert, schafft schwarz-weiße Bilder von beklemmend dichter Brisanz, die sowohl die Zärtlich- als auch die Grausamkeit visualisieren, die außergewöhnliche Nähe bei Zeiten hervorzurufen vermag.

Seinerzeit unter anderem von der US-amerikanischen National Society of Film Critics als Bester Film ausgezeichnet kommt Persona wie ein ganz persönliches Experiment Ingmar Bergmans daher, der selbst das Drehbuch verfasste und hier souverän mit seinen großen Themen der Identität, des Schweigens und einer nicht selten nebulös erscheinenden Beziehungsverflechtung operiert. Die stille Kraft und die nahezu pflegmatische Gelassenheit, die der Wortlosigkeit Elisabets beigesellt sind, die sie nur ein Mal bricht, zeugen im Verlauf der Dramaturgie wachsend weniger von Krise als von eigensinniger Stärke und Macht, und es sind nicht zuletzt diese aus dem Prozess der Beziehung entstehenden Beobachtungen, die diesen Film zu einem prägnanten Lehrstück über sich im Vakuum ereignende Kommunikation werden lassen.
 

Persona (1966)

Sie spielt gerade die Hauptrolle in der griechischen Tragödie Elektra, als sie unvermittelt auf der Bühne verstummt, und diese gleichermaßen rätselhafte wie ratlos wirkende Wortlosigkeit der Schauspielerin Elisabet Vogler (Liv Ullmann) hält auch an, als sie in annähernd Apathie versunken zu Diagnosezwecken in eine Klinik eingeliefert wird.

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