Periferic

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Im Brachland zwischen gestern und morgen

Matilda (Ana Ularu) hat alles sorgfältig geplant für diesen einen Tag. Ein Lastwagenfahrer holt sie vor dem Gefängnis ab. In Bukarest wird sie das Geld besorgen, das er will, um sie am selben Abend in der Hafenstadt Constanta auf ein Schiff zu bringen. Anstatt am nächsten Morgen von ihrem Freigang zurückzukehren, wird sie auf dem Weg in ein anderes Land sein. Vorher will sie noch einige Besuche machen und sich verabschieden.
Matilda geht zunächst zu ihrem Bruder Andrei (Andi Vasluianu), um mit ihm und seiner Familie zur Beerdigung der Mutter zu fahren. Aus diesem Anlass hat sie den Freigang erhalten, nach zwei Jahren und drei Monaten in Haft und vor den weiteren drei Jahren, die sie noch absitzen muss. Danach will sie zu Paul (Mimi Branescu), ihrem Ex-Freund, um das Geld zu holen und Toma (Timotei Duma) zu sehen, ihren knapp achtjährigen Sohn. Doch nirgends wird sie willkommen geheißen, die Beziehungen sind vereist und sie erfährt, dass Toma im Waisenhaus gelandet ist.

Obwohl er in New York studiert hat, bekennt sich der rumänische Regisseur Bogdan George Apetri in seinem ersten Langfilm recht deutlich zur sogenannten „Neuen Rumänischen Welle“, mit ihrem sozialkritischen Realismus und der stilistischen Kargheit. Cristian Mungiu, dessen 4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage die Goldene Palme von Cannes im Jahr 2007 gewann, ist Co-Autor der Geschichte, auf der das Drehbuch von Periferic basiert. Die jungenhafte Hauptperson bewegt sich wie auf einem Streifen Brachland zwischen gestern und morgen, zwischen Scheitern und Hoffnung. Ihre Wege in und um Bukarest führen Matilda wiederholt durch enge, anonyme Flure oder in verwahrloste Gegenden, die ihren gesellschaftlichen Randstatus betonen. Sie redet nicht viel, und was sie hört, verstärkt ihr Misstrauen und den verbissenen Zug um ihren Mund.

Die Hintergründe für Matildas desolate Situation bleiben weitgehend unklar. Zwar offenbaren sich in den Dialogen beiläufig einige Einzelheiten, mehr aber gibt das Desinteresse, das ihr begegnet, nicht her. Ihr Abschied vom achselzuckenden Bruder, vom Zuhälter Paul, dessen Gerissenheit sie immer noch überrascht, gerät zur persönlichen Abrechnung. Sie befreit ihren Sohn mit mütterlicher Entschlossenheit aus einer Notlage und wird an seiner Seite für unbeschwerte Momente selbst zum Kind. Aber zu diesem Zeitpunkt hat die Geschichte beim Zuschauer schon weitgehend für moralische Ernüchterung gesorgt.

Matilda und die wenigen Menschen, mit denen sie spricht, sind zu misstrauisch für einen offenen Austausch und für echte Gefühle. Fast jede Frage weisen sie mit einer aggressiven Gegenfrage, einer Herabsetzung zurück. Für Andrei, Paul und selbst für die Kinder im Waisenhaus zählen in erster Linie das Geld und die Sorge, nicht übervorteilt zu werden. Sexuelle Ausbeutung und Verbrechen sind dann lediglich extremere Varianten dieses allgemeinen, berechnenden Umgangs. Nicht nur Matilda sehnt sich danach, mit einem Geldumschlag in der Tasche unabhängig vom Wohlwollen eines anderen Menschen zu werden, von einem Versprechen, das im nächsten Moment nicht mehr zählt.

Es gibt bis zum Abspann keine Musik. Die vielen statischen Einstellungen überlassen es den Figuren, für Bewegung zu sorgen. Je nach dem Blickwinkel des Betrachters, wirken sie dabei eher bescheiden in ihren Möglichkeiten, oder als die Impulsgeber, auf die es ankommt. Meistens aber scheint ihnen dieser entscheidende Unterschied selbst nicht bewusst zu sein.

Periferic

Matilda (Ana Ularu) hat alles sorgfältig geplant für diesen einen Tag. Ein Lastwagenfahrer holt sie vor dem Gefängnis ab. In Bukarest wird sie das Geld besorgen, das er will, um sie am selben Abend in der Hafenstadt Constanta auf ein Schiff zu bringen.
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