Peaky Blinders - Gangs of Birmingham (Staffel 1)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Style over substance

Sieht man einmal von den mittlerweile recht formelhaft gewordenen skandinavischen Krimiserien, von Ausnahmeerscheinungen wie Luther und Versuchen wie The Team ab, so scheint es, dass auch im Bereich der seriellen TV-Formate die USA das Heft fest in der Hand haben. Die vom BBC produzierte Serie Peaky Blinders, die vor kurzem auf ARTE ausgestrahlt wurde und die nun auch auf DVD vorliegt, zeigt aber zumindest, dass es nicht immer Kost aus Amerika sein muss, die zumindest stilistisch neue Wege zu gehen versucht.

Die nordenglische Industriemetropole Birmingham im Jahr 1919: Die Söhne der Stadt sind zurückgekehrt von den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges. Wer das Glück hatte, das massenhafte Morden zu überleben und körperlich unversehrt davonzukommen, der trägt schwer an den seelischen Wunden, der will vergessen und kann doch genau dies nicht. So ergeht es auch den Shelbys, vor dem Krieg Mitglieder der gefürchteten Gang der „Peaky Blinders“, die nun versuchen, das kriminelle Regiment in ihrem Viertel und ihrer Stadt wieder in die Hand zu nehmen.

Ihr Markenzeichen sind die Ballonmützen, bei denen sie Rasierklingen mit eingenäht haben, durch die die an sich harmlosen Kopfbedeckungen zu gefährlichen Waffen werden, mit denen sie Gegner bei geschickter Handhabung schnell einmal blenden können – daher auch der Name der Straßengang, denn „peaky“ bezeichnet den Mützenschirm und „blinders“ verweist auf das bevorzugte Angriffsziel der Kriminellen, um die es hier geht.

Bei ihren Planungen haben es die „Peaky Blinders“ unter der Führung des charismatischen Tommy Shelby (Cilian Murphy) und Aunt Polly (Helen McCrory) vor allem auf das lukrative Geschäft mit den Pferdewetten abgesehen, das Geld in die Kassen spülen soll. Doch der Weg zu Ruhm und Reichtum ist gefährlich und voller Gegnger verschiedenster Couleur: Da sind beispielsweise Abgesandte der IRA, die mitbekommen haben, dass die Blinders bei einem Einbruch aus Versehen eine Ladung schwerer Maschinengewehre gestohlen haben, die sie nun verstecken. Aus dem gleichen Grund hat sich auch Chief Inspector Chestr Campbell (Sam Neill) im Auftrag Winston Churchills an die Fersen der gefürchteten Gang geheftet und seine entfernte Verwandte, die aus Irland stammende und überaus attraktive Grace Burgess (Annabelle Wallis) als Kellnerin im „Garrison“, dem Stützpunkt der „Peaky Blinders“ eingeschleust. Außerdem hat sich Ada (Sophie Rundle), die Schwester der drei Shelby-Brüder in den kommunistischen Agitator Freddy Thorne (Iddo Goldberg) verliebt, der dem Treiben seiner drei Schwager in spe mehr als nur kritisch gegenübersteht. Und dann ist da noch der skrupellose Buchmacher Billy Kimber und die konkurrierende Bande der Lees, die allesamt um die Vorherrschaft im Wettgeschäft streiten.

Entfernt erinnert die von Stephen Knight an realen historischen Vorbildern geschaffene Serie (die „Peaky Blinders“ gab es wirklich, ebenso die Gang um den Buchmacher Billy Kimber, die als die „Brummagem Boys Birmingham“ bekannt und berüchtigt waren) an Martin Scorseses Gangs of New York oder an den US-Serienhit Boardwalk Empire, auch wenn sich die Macher des britischen Serial Dramas spürbar um einen eigenen Tonfall bemühen. Der beginnt bereits beim Vorspann und bei der Auswahl der Musik: Anders als bei anderen Serien verzichtet Peaky Blinders auf die Signalfunktion eines Vorspanns, sondern setzt direkt mit der Handlung ein. Der Schlüsselreiz beruht einzig und allein auf dem überaus einprägsamen Titelsong Red Right Hand von Nick Cave and the Bad Seeds, unter den die Titel gelegt sind.

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(Nick Cave and the Bad Seeds: „Red Right Hand“)

Überhaupt spielt die Musik eine wichtige Rolle in Peaky Blinders, sie besteht vornehmlich aus Songs von Nick Cave, den White Stripes und Tom Waits und verleiht der historisch konkret verorteten Geschichte einen konkreten Bezug in die Gegenwart. Ihre rotzig-rebellische Attitüde korrespondiert mit der Inszenierung der Bande als „juvenile delinquents“ und lässt sie wie Urväter späterer jugendlicher Subkulturen wie den Teddyboys, den Mods, den Punks und den Skinheads erscheinen. In diese Strategie der popkulturell aufgeladenen Inszenierung fügen sich auch diverse andere Eigenheiten der Regie wie etwa die vornehmlich in Zeitlupe und mit ungewöhnlichen Perspektiven gefilmten Kampfszenen, die verraten, dass es in Peaky Blinders weniger um einen historisierenden Blick geht, sondern vor allem um eine Emotionalisierung und das Erzeugen eines rauschhaften Sogs, der sich teilweise durchaus einstellt.

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(Gypsy Fight Scene)

Dramaturgisch hingegen vertraut Peaky Blinders auf bekannte Versatzstücke und leistet sich in der Mitte der ersten Staffel einige deutliche Durchhänger, um dann gegen Ende die Spannungsschraube doch wieder ordentlich anzuziehen. Man darf also durchaus gespannt sein, ob es den Machern gelingt, in den kommenden Staffeln an den erzählerischen Schwächen zu arbeiten; das Potenzial zu Größerem besitzt die Serie nämlich – auch dank Darstellern wie Cilian Murphy und der hinreißenden Annabelle Wallis – durchaus.

Wer sich bis zum Erscheinen der zweiten Staffel auf DVD am 25. Juni 2015 die Zeit noch ein wenig vertreiben will – und der Cliffhanger am Ende der Season 1, der sei übrigens auf das wirklich sehenswerte Special zur Serie bei ARTE hingewiesen, wo Nigel Evan Dennis (bekannt für seine Webprojekte zu True Detective und Game of Thrones eine sehenswerte Einführung in die raue und brutale Welt der Gang gestaltet hat.
 

Peaky Blinders - Gangs of Birmingham (Staffel 1)

Sieht man einmal von den mittlerweile recht formelhaft gewordenen skandinavischen Krimiserien, von Ausnahmeerscheinungen wie „Luther“ und Versuchen wie „The Team“ ab, so scheint es, dass auch im Bereich der seriellen TV-Formate die USA das Heft fest in der Hand haben. Die vom BBC produzierte Serie „Peaky Blinders“, die vor kurzem auf ARTE ausgestrahlt wurde und die nun auch auf DVD vorliegt, zeigt aber zumindest, dass es nicht immer Kost aus Amerika sein muss, die zumindest stilistisch neue Wege zu gehen versucht.

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