Patrizia - Hunger nach Zärtlichkeit (DVD)

Eine Filmkritik von Stefan Dabrock

Verbotene Lust

Nachdem Patrizia – Hunger nach Zärtlichkeit nicht mehr auf dem Index steht, ist Salvatore Samperis Inzest-Drama hierzulande auf DVD erschienen. Die Liebe zwischen Geschwistern gilt als striktes Tabuthema, dessen heikle Natur einen sensiblen Umgang erfordert. Und tatsächlich vermeidet Samperi allzu sensationsheischende Szenerien.
Emilio (Lorenzo Lana) durfte als Kind aufgrund einer Erkrankung nicht wie seine Altersgenossen draußen spielen. Das hat seine Entwicklung maßgeblich beeinflusst. Seitdem verbringt Emilio die Tage nur im Inneren eines Palazzos in Chioggia, den er auch als junger Mann nicht verlässt. Sexuelle Befriedigung zieht er aus Pornos, während er die Außenwelt nur vom Fenster aus betrachtet. Als Emilios Mutter stirbt, die sich stets um ihn gekümmert hat, reist seine Schwester Patrizia (Monica Guerritore) aus Venedig an und zieht zu ihm in den Palazzo. Sie will ihrem Bruder helfen, zu einem normalen Leben zu finden. Doch als sie mit Erzählungen über eigene erotische Erlebnisse versucht, Emilio aus seinem Schneckenhaus zu locken, damit er sich für Frauen jenseits schmutziger Filme interessiert, gerät sie in eine zunehmend schwierige Beziehung hinein. Denn Emilio entwickelt ein starkes Interesse an Patrizia, die das zunächst harmlos wirkende Spiel nicht mehr kontrollieren kann, weil eigene, verbotene Empfindungen für den Bruder aufkeimen.

Salvatore Samperi verzichtet auf einen ausbeuterischen Umgang mit dem Inzest-Thema zugunsten einer sanft anlaufenden dramatischen Zuspitzung der Geschwisterbeziehung. Dabei unterteilt er die Erzählung in einzelne Abschnitte, die stets mit einer Großaufnahme von Patrizias Gesicht enden. Als Fotos werden sie symbolisch auf dem Zwischenbild einer schwarz-weißen Spirale angeheftet, die einen optischen Sog verkörpert. Mit jedem Abschnitt nähert sich Patrizia dem Zentrum des grafischen Strudels, während die Empfindungen in ihrem Gesicht zwischen Nachdenklichkeit, Verzweiflung und Akzeptanz wechseln. So zeichnet Samperi den Verlauf ihrer Gefühlswelt während der heiklen Beziehung zu ihrem Bruder nach. Patrizias Weg entspricht der dynamischen, auf einen Punkt in der Unendlichkeit zulaufenden Linienführung der Spirale, während sie mit moralischen Bedenken umgehen muss. Das daraus entstehende Spannungsverhältnis löst Samperi schließlich in einem zärtlichen, geradezu unschuldig rein wirkenden Bild auf, das er dem gesellschaftlichen Tabu entgegengesetzt, ohne ein klares moralisches Urteil zu fällen.

Taumel und Harmonie stehen auf eine Art und Weise nebeneinander, die irritierend wirkt und klar macht, dass es hier keine ganz einfachen Lösungen gibt. Die Ambivalenz bleibt dank der schwebenden Inszenierung erhalten. Aber auch wenn Samperi spekulative Szenen konsequent vermeidet — zwischen den Geschwistern kommt es nie zu körperlichem Sex — ist der Film nicht frei von Schwächen. Denn Kameramann Dante Spinotti setzt bei den Szenen, in denen Parizia nackt zu sehen ist, zu stark auf eine warm ausgeleuchtete Softcore-Erotik, die letztlich keinen visuellen Zugang zum schwierigen Thema findet. Und Patrizias Widerstand gegen die inzestuöse Beziehung erschöpft sich in sekundenkurzer, verbaler Abwehr, die sie jedoch sehr schnell wieder aufgibt. Hier fehlt es an der richtigen Durchdringung ihrer Gefühlswelt, um jenseits der gesetzten Stichpunkte ein komplett stimmiges Drama zu erzeugen. Dennoch bleibt Samperis Film ein interessanter Beitrag zu einem schwierigen Thema.

Bei der Bildqualität darf man natürlich nicht erwarten, dass der Film mit aktuellen Werken mithalten kann. Die analogen Bildeffekte halten sich in Grenzen. Die Schärfe ist aber recht ordentlich. Die Konturen sehen wie bei einer gut erhaltenen, älteren Filmkopie leicht matschig aus. Details kommen nicht so zur Geltung. Die Farben sind etwas ausgebleicht, haben aber noch genügend Kraft. Der Film kann sich angesichts des Seltenheitswertes durchaus sehen lassen. Die DD 2.0-Tonspuren überzeugen bei der Sprachverständlichkeit, auch wenn man mit gelegentlich hörbaren, leichten Verzerrungen bei den Höhen leben muss. Die Musik klingt sehr ordentlich.

Patrizia - Hunger nach Zärtlichkeit (DVD)

Nachdem „Patrizia – Hunger nach Zärtlichkeit“ nicht mehr auf dem Index steht, ist Salvatore Samperis Inzest-Drama hierzulande auf DVD erschienen. Die Liebe zwischen Geschwistern gilt als striktes Tabuthema, dessen heikle Natur einen sensiblen Umgang erfordert. Und tatsächlich vermeidet Samperi allzu sensationsheischende Szenerien.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen