Passion (1969)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Vom Leiden der menschlichen Kreatur

Die kleine, wenig besiedelte Insel Fårö in der Ostsee spielte im Leben und Schaffen des schwedischen Filmemachers Ingmar Bergman eine bedeutsame Rolle. Seit Mitte der 1960er Jahre schuf sich der Regisseur und Autor dort ein zurückgezogenes Refugium, wo er konzentriert arbeitete und sich bis zu seinem Tod im Jahre 2007 überwiegend allein aufhielt. Zu seinen Werken, die vor dem Szenario dieses landschaftlichen Idylls entstanden, zählt auch eine Trilogie mit Liv Ullmann – seiner damaligen Lebensgefährtin – und Max von Sydow bestehend aus Die Stunde des Wolfs / Vargtimmen (1968), Schande / Skammen (1968) und Passion / En passion (1969), der im Gegensatz zu den ersten beiden Teilen dieser Fårö-Trilogie in Farbe gedreht wurde.
Der Schrifsteller Andreas Winkelman (Max von Sydow) lebt nach der Trennung von seiner Frau allein in seiner Hütte auf einer kleinen Insel, wo er nur ganz selten Kontakte zu den wenigen, zurückgezogenen Bewohnern hat. Das ändert sich, als er die zunächst flüchtige Bekanntschaft der scheu wirkenden Anna Fromm (Liv Ullmann) macht, über die er das Ehepaar Eva (Bibi Andersson) und Elis Vergerus (Erland Josephson) kennen lernt. Anna, die noch durch eine erhebliche Beinverletzung eingeschränkt ist und bei einem von ihr selbst verursachten Autounfall den Tod von Mann und Kind verschuldet hat, verharrt in traumatisierter Verträumtheit gedanklich bei der angeblich überaus glücklichen Beziehung zu ihrem verstorbenen Mann. Dass dieser ein Verhältnis mit Eva hatte, erfährt Andreas von dem mondänen Künstler Elis, der diese Affäre offenbar tolerierte. Als Elis im Ausland weilt, entspinnt sich zwischen Andreas und Eva eine intime Beziehung, doch dann zieht Anna bei Andreas ein, und was als ruhige, scheinbar hamonische Lebensgemeinschaft beginnt, entwickelt sich bald zu einer kleinen Paarhölle um Verletzungen und Leiden, die von den vagen Schlieren der Vergangenheit umhüllt wird …

Da leben vier Menschen mehr nebeneinander her als miteinander in der sozialen Abgeschiedenheit einer Insel, die jeder für sich in den egozentrischen Abgründen ihrer persönlichen Geschichte gefangen sind. Wahrhafte Nähe bleibt eine Sehnsucht, und die beißende Melancholie dieser überspielten, distanzierten Stimmung beherrscht den gesamten Film, der die final erfolgende Eskalation, die sich im offenen Raum verflüchtigt, innerhalb seiner kammerspielartigen Dramaturgie bereits ankündigt. Ingmar Bergman hat innerhalb der Geschichte eine Metaebene installiert, auf welcher die Hauptdarsteller in knappen, eingeschobenen Sequenzen ihre eigene Rolle reflektieren, was dem Film die Nuance einer retrospektiven Rekonstruktion verleiht. Mit dem Titel Passion ist deutlich das Leiden und nicht etwa die Leidenschaft intendiert, wobei sich immer wieder eine religiöse Komponente andeutet. Hier wird der Mensch in seiner Einsamkeit und mehr oder minder schwelenden Not dargestellt, die er zwar temporär zu umschiffen, nicht aber tatsächlich zu lindern versteht.

Passion kam seinerzeit in Deutschland nicht in die Kinos, sondern erfuhr 1972 seine Fernsehpremiere. In den USA hingegen lief der Film recht erfolgreich und wurde mit dem Preis der National Society of Film Critics ausgezeichnet. Die Hinwendung von Regisseur Ingmar Bergman und Kameramann Sven Nykvist zu farblichen Bildern erscheint hier zunächst ein wenig befremdlich, wenn man die intensiven Schwarzweißkompositionen der vorangegangenen Werke dieses berühmten Filmteams im Blick hat. Es sind vor allem die Augen und Blicke der Protagonisten, denen damit eine – trügerische – Dimension von Lebendigkeit verliehen wird, was mitunter wie ein sanfter Zynismus wirkt, der die Traurigkeit und Verlorenheit der Gesichter farblich karikiert. Passion erscheint in seiner kühlen Inszenierung als ein recht distanziertes Werk, dessen lethargische Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit zwar nicht mitzureißen vermag, sich aber mit wirkungsvollem Unbehagen nachhaltig beim Zuschauer einnistet.

Passion (1969)

Die kleine, wenig besiedelte Insel Fårö in der Ostsee spielte im Leben und Schaffen des schwedischen Filmemachers Ingmar Bergman eine bedeutsame Rolle. Seit Mitte der 1960er Jahre schuf sich der Regisseur und Autor dort ein zurückgezogenes Refugium, wo er konzentriert arbeitete und sich bis zu seinem Tod im Jahre 2007 überwiegend allein aufhielt.
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