Pasolini (2014)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Der letzte Tag im Leben eines großen Filmemachers

Er hat eine Schwäche für exzentrische Männer: Abel Ferrara liefert gleich nach seinem Dominique Strauss-Kahn inspirierten Welcome to New York einen Film über den legendären Regisseur Pier Paolo Pasolini. Und was für eine Geschichte man aus dessen Leben machen könnte, Sodom und Gomorrah! Aber nein, nicht mit Ferrara. Dieser nimmt sich in Pasolini lieber die letzten 24 Stunden im Leben des Querdenkers, des Widerspenstigen, des Besessenen vor und arbeitet sich an diesen ab. Mit Willem Dafoe hat er dafür auch den besten Schauspieler gefunden, sieht dieser dem Regisseur doch tatsächlich recht ähnlich.

Und so beginnt Ferrara seine Erzählung im biografischen Bereich, zeigt die Lebensumstände Pasolinis. Dieser lebt bei seiner Mutter, die ihn morgens wach küsst. Tagsüber trifft er andere Künstler, plant die letzten Schnitte für seinen neuesten Filme — Die 120 Tage von Sodom — einem Film, der fast jedem ein Begriff ist, vor allem durch seine expliziten Sex- und Folterszenen, die dazu führten, dass der Film in vielen Ländern für lange Zeit verboten war. Doch Ferraras Pasolini weiß davon nichts, er plant die Premiere und gleichzeitig ist er schon dabei, einen neuen Film vorzubereiten. Das Konzept steht bereits: Ein Mann ist auf dem Weg ins Paradies, das große Versprechen des wunderbaren Lebens nach dem Tod soll eingelöst werden. Er und sein Begleiter laufen und laufen durch eine leere Landschaft. „Wo ist das Paradies?“ fragt der Mann und sein Begleiter antwortet: „Dort drüben, nicht mehr weit!“ Doch egal, wie weit und wie lang sie laufen, sie kommen nicht an. Die Verheißung war eine leere. Und irgendwann geben sie es auf. Der Mann muss pinkeln und beim Wasserlassen schaut er zurück, er sieht die Erde und freut sich, denn selbst wenn es kein Paradies gibt, die Suche danach hat ihn die Welt auf eine ganz neue Art sehen und begreifen lassen.

Der hier beschriebene Film — es gab ihn nie, denn Pasolini wurde ermordet, bevor er ihn drehen konnte. Konsequenterweise läuft Ferraras Film auf diese grausame Ermordung zu, doch sie wird hinausgezögert, indem Ferrara zwischen die biografischen Momente und dem Nacherzählen des letzten Tages seine eklektische Variation des nie verwirklichten letzten Pasolini-Filmes schneidet. — inklusive expliziter Sexszenen. In der Mixtur soll sich das Bild verfeinern und die vielen Facetten des Mannes und des Machers sollen sich herauskristallisieren. Allerdings tun sie das nicht. Pasolini bleibt oberflächlich und wirft vor allem mit Worten, Gesten und aufgeladenen Bildern um sich: Marxist, Perverser, Muttersöhnchen, Genie, Autor — all das wird angeschnitten, alles benannt. Aber eben nur das. Es wird nicht gezeigt, nicht erfühlt, nicht vertieft und vor allem nicht verstanden.

Wenn man keine Ahnung von Pier Paolo Pasolini hat, wird man diesen Film nicht verstehen. Wenn man Ahnung von Pasolini hat, wird man sofort bemerken, dass man rein gar nichts von Pasolini in diesem Film wieder findet, was nicht ein Wikipedia-Artikel auch erzählen könnte: Fakten, Momente, Filmausschnitte, Oberflächlichkeiten. Dabei kokettiert der Film durchaus hier und da mit Möglichkeiten, näher und intimer an diesen Menschen heranzutreten. Doch er tut es letztendlich nicht und schneidet lieber hin und her zwischen Fiktion und Biografie. Was weiß man nach diesem Film, was hat man gelernt über diese eigentlich so beeindruckende Persönlichkeit? Nichts. Was man aber bemerkt ist, dass Ferrara sich für das Objekt seines Filmes nur als Gestus interessiert und sich ansonsten auf sein eigenes Dasein als auteur — wie es einst die „Nouvelle Vague“ verstand — zu konzentrieren sucht.

So steht am Ende unübersehbar die Frage im Raume, was der Zuschauer mit einem Werk anstellen soll, das sich die ganze Zeit nur selbst gern anschaut und alle anderen lieber ausschließt bzw. nicht im Geringsten daran interessiert ist, sie teilhaben zu lassen. Außer einem Film voller Andeutungen und mit teilweise interessanten ästhetischen Entscheidungen bleibt am Ende ehrlich gesagt nicht viel übrig — nur der Gedanke, wie spannend eine Pasolini-Biografie doch sein könnte.
 

Pasolini (2014)

Er hat eine Schwäche für exzentrische Männer: Abel Ferrara liefert gleich nach seinem Dominique Strauss-Kahn inspirierten „Welcome to New York“ einen Film über den legendären Regisseur Pier Paolo Pasolini. Und was für eine Geschichte man aus dessen Leben machen könnte, Sodom und Gomorrah! Aber nein, nicht mit Ferrara.

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