Paris des Nordens (2014)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Wenn der Vater mit dem Sohn...

Der Lehrer Hugi (Björn Thors) ist Alkoholiker, seine Freundin ist gen Portugal verschwunden und er sitzt nun in einem kleinen Ort im Westen Islands und versucht, sein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen. Also besucht er die örtliche Gruppe der Anonymen Alkoholiker, treibt Sport, unterrichtet an der Schule, lernt Portugiesisch, hat eine wechselhafte Beziehung mit Erna (Nanna Kristin Magnusdottir) und kümmert sich um deren zehnjährigen Sohn Albert (Haki Lorenzen). Doch dann kündigt sein Vater Veigar (Helgi Björnsson) seinen Besuch an – und weil Hugi sich sämtlicher Selbstreflexion verweigert, bringt er es nicht fertig, ihm einfach zu sagen, dass er nicht kommen soll. Auf den ersten Blick wirkt Veigar ganz anders als sein Sohn: Er ist selbstbewusst, hat die Welt bereist, trinkt äußerst gerne, genießt sein Leben und stürzt sich sofort in eine Affäre mit Erna. Je länger Vater und Sohn jedoch zusammen sind, desto mehr tritt eine Gemeinsamkeit zutage: Auch er weigert sich, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und seine Probleme zu lösen.

Wie bereits in seinem Film Either Way erzählt Regisseur Hafsteinn Gunnar Sigurdsson nun auch in París Norðursins (Paris des Nordens) von zwei Männern, die in ihrem Leben feststecken. Waren es in dem erstgenannten Film zwei Schwager, die auf einer Straße im isländischen Nirgendwo Fahrbahnmarkierungen anbrachten, sind es nun Vater und Sohn, die in einem Dorf sitzen und schließlich anfangen, eine Terrasse zu bauen. Auch stilistisch erinnert Paris des Nordens an Either Way, in beiden Filmen nutzt Hafsteinn Gunnar Sigurdsson vor allem weite Kamerawinkel und lange Einstellungen, um die Geschichte zu erzählen und die Langsamkeit der vergehenden Zeit zu betonen. Jedoch wird in Paris des Nordens aus der kontemplativen Ruhe von Either Way schnell Langatmigkeit und aus Skurrilität wird bemühte Komik. Denn Paris des Nordens fehlt die Struktur, die in Either Way durch die Bauarbeiten gegeben war, und dadurch der erzählerische Rhythmus. Daran können auch die sehr gute Musik und der gute Helgi Björnsson nichts ändern.

Dabei beginnt der Film mit durchaus vielversprechenden Szenen, in denen insbesondere absurd-komische Alltagsmomente eingefangen werden. Beispielsweise bestehen die AA-Treffen aus drei Mitgliedern, neben Hugi nehmen noch Ernas Vater Savor (Sigurdur Skulason) und Richard (Jon Pall Eyjolfsson) teil, Ernas früherer Partner und der Vater von Albert. Anonym ist diese Gruppe also ganz und gar nicht – und so sehr sich Savor auch bemüht, sich an die AA-Regeln zu halten, kommt es doch zu vielen Streitigkeiten über Verantwortungen und Einmischungen. Dadurch werden Beziehungen zwischen Vätern und Söhnen im Allgemeinen behandelt, fühlt sich Hugi doch von seinem eigenen Vater verlassen, während Richard mit seiner Vaterrolle überfordert ist – und Hugi für Albert zu einer Art Ersatzvater wird. Jedoch wird auch dieses Thema nicht vertieft, stattdessen plätschert der Film vor sich hin und mündet dann in der banalen Erkenntnis, dass man nur einmal lebe.

Angesichts der starken Beiträge des isländischen Kinos der letzten Jahre und vor allem Hafsteinn Gunnar Sigurdssons hervorragendem Either Way sind einige vielversprechende Momente zu wenig. Für Zuschauer, die weder Either Way noch das kanadische Remake Prince Avalanche kennen, hat Paris des Nordens sicher noch mehr gute Momente, für alle anderen fehlt jedoch eine Weiterentwicklung oder wenigstens überzeugende Variation des Stils und der Motive.
 

Paris des Nordens (2014)

Der Lehrer Hugi (Björn Thors) ist Alkoholiker, seine Freundin ist gen Portugal verschwunden und er sitzt nun in einem kleinen Ort im Westen Islands und versucht, sein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen. Also besucht er die örtliche Gruppe der Anonymen Alkoholiker, treibt Sport, unterrichtet an der Schule, lernt Portugiesisch, hat eine wechselhafte Beziehung mit Erna (Nanna Kristin Magnusdottir) und kümmert sich um deren zehnjährigen Sohn Albert (Haki Lorenzen).

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