Open Souls

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Spiel nicht mit den "Negerkindern"

Zu den vielen bislang unaufgearbeiteten Tabus der deutschen Nachkriegszeit gehört auch der Umgang mit den sogenannten Mischlingskindern. In seinem Film Open Souls hat der Filmemacher Volker Meyer-Dabisch (love, peace & beatbox, Der Adel vom Görli) zwei exemplarische Fälle aus den 1950er Jahren herausgepickt und lässt die beiden Männer von ihren Erfahrungen und Erlebnissen berichten – es sind Zeugnisse von großer Eindringlichkeit, die vieles vom generellen Umgang mit Minderheiten und fremdländisch aussehenden Deutschen erzählen und die dennoch in erster Linie zwei bemerkenswerte Biografien darstellen, die weit über das Allgemeingültige hinaus aufmerksam machen auf Verdrängtes und Verborgenes in der damals noch jungen Bundesrepublik Deutschland.
Was die Öffentlichkeit von den „Kindern der Schande“ hielt, das bringt ein Zitat aus jener Zeit, genauer aus dem Jahre 1952, mit erschreckender und menschenverachtender Klarheit auf den Punkt, es stammt aus dem Munde einer Politikerin aus den Reihen der CDU: „Eine besondere Gruppe unter den Besatzungskindern bilden die 3093 Negermischlinge, die ein menschliches und rassisches Problem besonderer Art darstellen.“ Auch wenn diese Aussage heute nach extremer ideologischer Verbohrtheit klingen mag und man darin noch deutliche Spuren der nationalsozialistischen Lehre von der „Reinheit der Rasse“ finden kann, ist sie doch durchaus beispielhaft für den Umgang der Bundesrepublik mit dem „Problem“.

Was Udo und Herbert (bzw. Rudi und Alberto, wie sie heute heißen), die beiden Protagonisten von Volker Meyer-Dabischs Film Open Souls eint, ist der Geburtsort und die Zeit, in der sie das Licht der Welt erblickten: Beide kommen 1954/55 in der Frauenhaftanstalt im bayrischen Aichach auf die Welt, die Väter von beiden sind als GIs bei der US-Army stationiert und leisten gerade ihren Militärdienst in Deutschland ab. Danach aber trennten sich die Wege der beiden: Udo wurde im Rahmen des „Brown Baby Plans“ zur Adoption in die USA freigegeben. Dort erhielt er den Namen Rudi und erfuhr erst kurz vor der Volljährigkeit von den wahren Hintergründen seiner Abstammung. Später gerät er in einen Kreislauf aus Drogen, Kriminalität und Obdachlosigkeit, aus dem er sich selbst befreien kann. Heute lebt er in London. Herbert/Alberto hingegen, den Meyer-Dabisch beim Dreh zu Der Adel vom Görli kennenlernte, wurde zwar von der Familie seiner Mutter aufgenommen, doch was er dort erlebte, war die Hölle für den Jungen. Von seinem immer noch faschistischen Großvater aufs Gröbste misshandelt, wurde Herbert von seiner Schwester getrennt, die er bis zum heutigen Tage sucht.

Volker Meyer-Dabisch lässt seinen beiden Protagonisten viel Raum und Zeit, aus ihrem Leben zu berichten: Abschweifungen in die Vergangenheit, sei es in nachgestellter Form, durch Archivmaterial oder durch Zeitzeugen, wie dies gerne bei historischen Themen im Fernsehen unternommen wird, gibt es hier ebenso wenig wie einen erklärenden Off-Kommentar oder dramatisierende Musik. Dadurch wirkt Open Souls ungemein fokussiert und konzentriert auf die emotionalen Erfahrungswelten und bildet so einen wichtigen ersten Baustein zu einer Aufarbeitung, die im größeren gesellschaftlichen Kontext aber erst noch geleistet werden muss.

Open Souls

Zu den vielen bislang unaufgearbeiteten Tabus der deutschen Nachkriegszeit gehört auch der Umgang mit den sogenannten Mischlingskindern.
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