One More Time With Feeling (2016)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Verlust und Kunst gehen Hand in Hand

Es sollte ein Film werden, der dokumentarisch die Studioaufnahmen zum neuen Album von Nick Cave und seiner Band The Bad Seeds begleitet. Zumindest war das die Prämisse von One More Time With Feeling, dem Film von Andrew Dominik (Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford), der dann doch anders als eine übliche Musiker-Doku wurde.

Doch noch bevor sich dieses künstlerische Biest in etwas anderes verwandelte, hat es sich Dominik nicht einfach gemacht. Mit ein paar Kameras seinem Freund Nick Cave zu folgen, war nicht sein Ding. Vielmehr entschied er sich, den Film in knackigem Schwarz-Weiß und in 3D zu drehen. So als würden alte Fotografien zum Leben erweckt. Und in der Tat, man hat das Gefühl, dass 3D und Schwarz-Weiß eigentlich der einzig richtige Weg sind, wie man einen Künstler wie Nick Cave überhaupt porträtieren kann und sollte. Der Stil des Filmes korrespondiert perfekt mit der düsteren, todtraurigen Musik des neuen Albums Skeleton Tree. Doch das ist nicht alles, was Dominik im Dokumentarfilmprozess anders macht, als man erwarten würde. Er stellt außerdem das Filmen selbst gern aus, zeigt Momente, in denen die Kamera nicht funktioniert, bereinigt den Ton nicht und lässt ihn knacken und kratzen, er erlaubt Momente, in denen der dokumentarische Prozess und sein Scheitern im Vordergrund stehen und nicht perfektioniert und unsichtbar sind. Das gibt dem Ganzen die Authentizität und den Schneid, die wiederum mit Caves Schaffen in Einklang stehen. Man muss den Hut ziehen vor diesem Filmemacher, der offensichtlich ganz genau durchdacht hat, wie er Cave ins Medium Film übertragen kann, anstatt ihn nur abzubilden.

Hinzu kommt noch, dass Cave den Film nach Fertigstellung selbst gesehen und mit einem Kommentar versehen hat. Manchmal liest er seine Songtexte, dann wieder kommentiert er das Geschehen oder sein Gesicht. „Mein Gott, wo kommen diese Furchen her, die waren letztes Jahr noch nicht da!“ Die Furchen, sie stammen nicht vom Alter oder vom Rock ‚n‘ Roll. Sie stammen auch nicht von der Arbeit am neuen Album, wie die erste Hälfte des Filmes vermuten lässt. Hier wechseln sich kurze Gespräche mit dem Performen der neuen Songs ab, die sogar für einen wie Nick Cave ungewöhnlich dunkel und verletzt klingen. Fast ist man irritiert, wie wenig dann doch passiert in diesem Film, der so klar durchdacht scheint. Doch die erste Hälfte ist nur das Intermezzo, es ist das Rudiment der ehemaligen Idee, das neue Album filmisch zu begleiten.

Denn dann tritt auch Caves Ehefrau Susie auf. Und deren gemeinsamer Sohn. Langsam und voller Qualen, immer wieder stockend und Sätze nicht beendend sprechen sie plötzlich von Arthur. Arthur, das ist ihr anderer Sohn, der Zwillingsbruder, den es nicht mehr gibt. Im Jahr 2015 fiel er mit 15 Jahren von einer Klippe und überlebte den Sturz nicht. Genau hier ist es, dass der eigentliche Sinn von One More Time With Feeling Form annimmt. Es ist der gemeinsame Versuch von Cave und Dominik, sich in irgendeiner Art und Weise mit dem Unaussprechlichen zu beschäftigen, das Trauma irgendwie in Worte und Bilder zu fassen, und damit irgendwie auch zu erklären, wieso Caves neues Album so ist wie es ist: dunkler, tiefer, verzweifelter, zerrissen und gleichzeitig wunderschön und berührend.

Zusammen schaffen es die beiden, den Zuschauer auf tief bewegende Weise an der tiefen Trauer und den Gedanken der Überlebenden teilhaben zu lassen. Es ist, als ginge man ein ganz kleines Stück des Trauerprozesses gemeinsam, getragen von der Ehrlichkeit Caves und dem durch die 3D-Kamera entstehenden Gefühl, man wäre mit im Raum und könnte fast sagen „Es tut mir so leid, was dir geschehen ist.“

Und so wird aus einem Film, der als Musik-Doku gedacht war, eine profunde Kontemplation über Tod, Verlust und den Umgang mit diesen Traumata mit den beschränkten Mitteln der Kunst.
 

One More Time With Feeling (2016)

Es sollte ein Film werden, der dokumentarisch die Studioaufnahmen zum neuen Album von Nick Cave und seiner Band „The Bad Seeds“ begleitet. Zumindest war das die Prämisse von „One More Time With Feeling“, dem Film von Andrew Dominik („Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“), der dann doch anders als eine übliche Musiker-Doku wurde.

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