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Mitten in der mongolischen Steppe liegt die Leiche einer ermordeten Frau. Ein 18-jähriger Polizist wird zur Bewachung des Tatorts abgestellt. Helfen soll ihm dabei eine Schafshirtin. Die Nacht ist kalt und man kommt sich näher.

Öndög (2019)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Once Upon a Time in Mongolia

Woher diese Frauenleiche kommt, die da mitten in der mongolischen Steppe liegt, weiß man nicht. Und erfährt es eigentlich nie wirklich. Was genau mit ihr geschah ebenso wenig. Irgendwann zur Hälfte des Films wird ein Tatverdächtiger und ein für westliche Zuschauer*innen recht hanebüchenes Motiv aus dem Hut gezaubert – und damit hat es sich auch schon. Denn das, was der chinesische Filmemacher Wang Quan’an hier in bester Krimimanier mit der Auffindung einer Leiche beginnen lässt, ist kein Krimi, sondern … ja, was eigentlich genau? Eine Parabel, vielleicht sogar ein Märchen, so könnte man vermuten. Eine Meditation über das Bestehen und das Vergehen, wenn man es gut mit dem Film meint. Ein bisweilen etwas unentschiedenes Zwischen-den-Stühlen, wenn man es anders betrachtet.

Nachdem eine Frauenleiche mitten in der Steppe entdeckt wird, rückt gleich ein ganzer Trupp von Polizisten an, die unschlüssig um den Leichnam herumstehen. Als die wenig beeindruckende Staatsgewalt schließlich wieder abrückt, wird ein 18-jähriger Neuling (Norovsambuu Batmunkh) am Fundort zurückgelassen, um den Körper zu bewachen. Diesem linkischen Bürschlein gesellt sich alsbald eine Hirtin (Dulamjav Enkhtaivan) hinzu, die ebenfalls vom Polizeichef verpflichtet wurde, denn die Frau kann gut mit dem Gewehr umgehen. Und die Wölfe in der Steppe sind hungrig und gieren nach Fleisch. In der Nacht und auch ein wenig betrunken kommen sich die beiden näher. Und so muss die Hirtin nach dem Ende der Bewachung, die zugleich die erste Hälfte des Films einnimmt, feststellen, dass sie schwanger ist. Nur ist da der Grünschnabel natürlich längst weg. Aber es gibt ja noch einen anderen Mann (Aorigeletu), ein Hirte wie sie und vermutlich einer der wenigen Männer im Umkreis von mehreren hundert Kilometern. Und da sie ihn sowieso immer dann anruft, wenn irgendetwas ansteht, das sie selbst nicht schafft (und viel ist das nicht), rückt er auch dieses Mal wieder auf seinem Motorrad an und versichert ihr abermals seine Liebe.

Öndög lebt vor allem von seinem ganz eigenen, aufreizend langsamen Rhythmus, von der Leere der Landschaft, von den lakonischen Dialogen und einer Stimmung, die wirkt, als habe hier Aki Kaurismäki ebenso Pate gestanden wie Nuri Bilge Ceylan mit seinem Film Once Upon a Time in Anatolia.

Dem Kameramann Aymerick Pilarski gelingen immer wieder prachtvolle Panoramen und beinahe schon archaisch anmutenden Schattenspiele gegen die Weite des abendlichen mongolischen Himmels: So wird das Zusammentreiben einer Schafsherde zu einem grandiosen Schauspiel, der von Wiederschein eines Leuchtfeuers beschienene Rücken eines Trampeltiers zu einem Schutzwall gegen den unbarmherzigen Wind, die Weiten der Steppe zu einer Bühne, auf der sich absurde Dramen abspielen.

Öndög ist das mongolische Wort für Ei und bezeichnet vor allem die fossilen Dinosauriereier, die immer wieder in der Steppe auftauchen und für riesige Summe in die USA, nach Frankreich und Deutschland verkauft werden. An einer Stelle gleich zu Beginn des Films wird die Hirtin als „Dinosaurier“ bezeichnet. Und als sie schwanger ist, scherzt sie über den Fortbestand der Dinosaurier, der auf diese Weise gesichert sei. Aber letzten Endes geht es in Öndög nicht um den Fortbestand einer Art, sondern viel eher um den Fortbestand der Liebe im Allgemeinen, die gerade an einem der unwirtlichsten Orte der Welt ganz besonderen Herausforderungen ausgesetzt ist. Dass der Film am Ende keck behauptet, er basiere auf wahren Geschichten, ist vor allem pure Koketterie. Denn in der Kälte der mongolischen Nacht und am Lagerfeuer erzählt man sich halt Geschichten. Ob diese nun wahr sind oder falsch, erfunden oder tatsächlich so passiert, das ist eigentlich völlig egal.

Öndög (2019)

In der mongolischen Steppe wird eine nackte Frau ermordet aufgefunden. Über Nacht soll ein junger und unerfahrener Polizist den Tatort sichern. Da er mit den Gefahren vor Ort nicht vertraut ist, wird eine einheimische Hirtin abgestellt, ihn und die Leiche zu bewachen. Die resolut auftretende Mittdreißigerin weiß mit dem Gewehr umzugehen und Wölfe zu verscheuchen. Gegen die Kälte zündet sie ein Feuer an. Auch der Alkohol wärmt, und auf ihre Initiative hin kommen die beiden einander näher. Am nächsten Morgen werden sich ihre Wege wieder trennen.t

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