NWR – Die Nicolas Winding Refn Doku (2011)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Die Macht der Bilder

Für Drive weltweit gefeiert, für Only God Forgives in Cannes ausgepfiffen. Wie tickt der Regisseur, der sein Publikum ein ums andere Mal visuell überwältigt, durch seine Gewaltdarstellungen jedoch zutiefst spaltet? NWR – Die Nicolas Winding Refn Doku unternimmt einen Versuch, den Zuschauern das dänische Ausnahmetalent näherzubringen.

Der Mann denkt in Bildern, spricht nicht viel. Wenn er etwas zu sagen hat, dann knapp und präzise, stets mit Bedacht – ähnlich den Protagonisten in seinen Filmen. Vielleicht liegt es an seiner Lese- und Rechtschreibschwäche. Diesen Schluss legt zumindest Laurent Duroches Dokumentarfilm NWR über den dänischen Regisseur Nicolas Winding Refn nahe. Man müsse seine Schwächen zu Stärken machen, sagt Winding Refn darin und erzählt, dass er bis zu seinem 13. Lebensjahr nicht richtig schreiben und lesen konnte.

Dass für Winding Refn, der in New York aufwuchs, Bilder zeitlebens mächtiger waren als das Wort, bestätigen auch seine Eltern. In NWR berichten sie, wie Nicolas als Jugendlicher lieber den ganzen Tag vor der Glotze hing als ein Buch zur Hand zu nehmen oder wie er familiäre Diskussionen als Filmszenen imaginierte. Winding Refn selbst erzählt von einem Erweckungserlebnis: Als er mit 14 Jahren zum ersten mal Tobe Hoopers The Texas Chain Saw Massacre sah, hatte er nicht nur ein Ventil gefunden, mit seiner Liebe für Horror und Exploitation gegen seine liberalen Eltern zu rebellieren, sondern wusste auch, dass er später selbst einmal Filme drehen wollte.

NWR, der im Januar 2014 im Handel auf DVD erscheint, für diejenigen, die nicht warten wollen, seit 18. November exklusiv bei Amazon erhältlich ist, zeichnet Winding Refns steinigen Weg zum Erfolg in zahlreichen Interviews nach. Ein Weg, der Refn von New York zurück nach Dänemark (Pusher, Bleeder), von dort kurz nach Hollywood (Fear X) und beinahe in den finanziellen Ruin, über den Umweg Dänemark (Pusher II, Pusher III) und das Ausland (Bronson, Walhalla Rising) schließlich wieder nach Hollywood (Drive) gebracht hat. Der verschlossene Däne kommt dabei nicht nur gut weg. Seine (einstige) Arroganz und Überheblichkeit sind ebenso Thema der Dokumentation wie seine Verschrobenheit und seine Probleme im Umgang mit anderen Menschen. Dank viel Selbstironie und Reflexion sieht der Zuschauer Winding Refn diese Charakterzüge jedoch nach.

Duroches Doku setzt nach Drive und dem Gewinn des Regie-Preises in Cannes 2011 und vor den Dreharbeiten zu Only God Forgives ein. Die Kamera begleitet Winding Refn und Ryan Gosling während der Filmfestspiele an der Côte d’Azur und blickt dem Regisseur bei der Suche nach Drehorten in Thailand über die Schulter. Einmal mehr wird hier deutlich, dass Film für den Dänen eine visuelle Kunst ist. Eine Szene in einem Hotelzimmer in Bangkok enthält Winding Refns bisheriges Oeuvre in nuce. Der Regisseur sitzt auf einem Sessel und blickt auf eine Wand voller Karteikarten. Auf jeder Karte ist ein Satz zu einer Szene aus Only God Forgives gekritzelt. Beim Betrachten der Karten fügen sich die Szenen vor Winding Refns innerem Auge zu einem Film zusammen. Auf diese Weise überprüft er, ob Struktur und Handlung im Fluss sind und sagt: „Das hat nichts mit Dialogen zu tun, denn die sind zweitrangig.“
 

NWR – Die Nicolas Winding Refn Doku (2011)

Für „Drive“ weltweit gefeiert, für „Only God Forgives“ in Cannes überwiegend ausgepfiffen. Wie tickt der Regisseur, der sein Publikum ein ums andere Mal visuell überwältigt, durch seine Gewaltdarstellungen jedoch zutiefst spaltet? „NWR – Die Nicolas Winding Refn Doku“ unternimmt einen Versuch, den Zuschauern das dänische Ausnahmetalent näherzubringen.

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