Nosotros, la música!

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Volksmusik aus Kuba

Der Begriff Volksmusik bekommt einen völlig anderen Klang und Rhythmus, wenn man ihn vom üblichen Terrain seiner deutschen Verwendung abstrahiert und im Hinblick auf die kubanische Musik gebraucht. Denn als Volksmusik bezeichnen die Protagonisten der Musikszene auf der Insel in der Karibik ihren Stil, sei es nun Dazón, Son oder Salsa. Dieses scheinbar banale Bekenntnis bezieht sich sowohl auf die Entstehung und Popularität der tanzbaren Klänge als auch auf das innige und doch alltägliche Verhältnis der kubanischen Bevölkerung zu ihrer Musik, wie die Dokumentation Nosotros, la música! / Wir sind die Musik! von Rogelio Paris aus dem Jahre 1965 visuell und vor allem akustisch sehr engagiert in Szene setzt, die dem großartigen, unvergessenen Sänger und Bolero-Interpreten Benny Moré gewidmet ist.
Sie sind als offensichtlich geliebte Selbstverständlichkeit in den Straßen und Höfen Kubas ebenso präsent wie auf öffentlichen Plätzen, in Konzertsälen oder Bars: Musiker, Intrumente, Musik. Da werden schon mal die Proben einer Band ins Freie verlegt, eine spontane Session zelebriert oder ein Song intoniert, und nicht selten bildet sich rasch ein infiziertes Publikum, dem der Rhythmus vitalisierend in den Kopf und die Beine schießt, sowie in alles, was dazwischen ist, und nicht zuletzt ins Herz. Die Dokumentation, deren Titel genau diese auf Kuba gerade in den unruhigen 1960er Jahren nach der sozialistischen Revolution weit verbreitete Haltung zur Volksmusik transportiert, nähert sich diesem Phänomen nicht etwa theoretisch, sondern präsentiert die Musik ganz unumwunden und direkt. Konzertausschnitte populärer Künstler werden ebenso gezeigt wie Bandproben und spontane Musikzusammenkünfte, Szenen aus dem Karneval und religiöse Zeremonien mit spirituellen Gebeten und Gesängen, flankiert von kleinen Erzählungen einzelner Musiker über ihr Leben, die Volksmusik und ihre Bedeutung in der kubanischen Gesellschaft sowie atmosphärischen, urbanen Impressionen der wuchtigen Architektur der Städte mit ihrem maroden Charme.

Regisseur Rogelio Paris verzichtet völlig auf strukturierende Kommentare und konzentriert sich auf die Darstellung unterschiedlicher Protagonisten und Musikstile, die eine Auswahl aus der Vielfalt der kubanischen Musik repräsentieren, deren afrikanische wie europäische Einflüsse kombiniert mit der eigenen, vielfältigen und stetigen Entwicklung international berühmte und beliebte Richtungen wie Rumba und Mambo hervorgebracht haben. So entfaltet sich ein authentisches, klangreiches Porträt über die musikalischen Welten Kubas, das lange vor dem immens erfolgreichen Film Buena Vista Social Club von Wim Wenders entstand, der für ein aufflammendes, weiltweites Interesse an der nostalgischen kubanischen Musik sorgte und seinen Protagonisten ein sensationelles Comeback bescherte.

Als Bonus befindet sich neben der Dokumentation noch ein kleiner, sehenswerter Film über die Sängerin Omara Portuondo auf der DVD, die von ihrer besonderen Beziehung zur Musik erzählt, die bereits seit ihrer Kindheit besteht. Es sind die geradezu rhythmische Stimmung und die Darstellung des Lebensgefühls der Kubaner, bei dem die Musik eine ganz bedeutsame Position einnimmt, die diesen lebendigen Films ausmachen, der unbedingt beim Zuschauer das Bedürfnis nach moves and grooves auslöst.

Nosotros, la música!

Der Begriff Volksmusik bekommt einen völlig anderen Klang und Rhythmus, wenn man ihn vom üblichen Terrain seiner deutschen Verwendung abstrahiert und im Hinblick auf die kubanische Musik gebraucht.
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